Risotto Mit Otto
ich tu mal was für die Sprachgewandtheit unserer WG, und hab ’ne waschechte Italienerin mitgebracht. Seit Roberto ausgezogen ist, haben wir kein italienisches Wort mehr gesprochen. Das ist doch schade. Was ist, trinkst du ’nen Tee mit uns? Und wo ist eigentlich Otto?«
»In der Bibliothek, bei ihm wird’s spät heute. Aber ich trinke gerne einen mit. Kuchen hab ich auch noch da, den können wir uns teilen.« Isabelle lächelte mich an und deutete Richtung Küche. »Lass deine Sachen einfach hier stehen und komm mit.«
Der erste Eindruck hatte getäuscht, denn die Berlinerin, die es der Liebe wegen nach München verschlagen hatte, war genauso nett wie Beate, und wir redeten wie die Wasserfälle. Die beiden probierten ihr Italienisch an mir aus, und ich antwortete brav auf Deutsch. Die bunt zusammengewürfelte Kücheneinrichtung, die mit Sicherheit schon bessere Tage gesehen hatte, irritierte mich längst nicht mehr, und auch das Geschirr, das sich in der Spüle stapelte, nahm ich nur am Rande wahr. Beate hatte auf dem Küchentisch einfach den Stapel mit den Zeitungen, Briefen, Prospekten und die Obstschale, deren vergammelten Inhalt ich nicht mal für viel Geld gegessen hätte, beiseitegeräumt und den Tisch gedeckt. Kein Teller passte zum anderen, die Tassen hatten abgeschlagene Ecken, und die Kaffeelöffel sahen ebenfalls aus wie aus sieben verschiedenen Sets zusammengestellt.
Die beiden Mädchen waren allerdings so nett und hilfsbereit, dass ich – oh Wunder! – gar nicht auf die Idee kam, mich darüber zu echauffieren. Meine Teetasse war sauber, alles andere war mir egal. Nachdem Bea und Isa mir ausgiebig von meinem Landsmann Roberto und dessen Nachmieter Otto, einem waschechten Urmünchner und Maschinenbaustudenten, erzählt hatten, überlegten wir zu dritt, wie es mit mir weitergehen könne.
»Warum quartieren wir Angela denn nicht nebenan bei den Jungs ein?«, fragte Isabelle, nachdem wir mehrere Möglichkeiten durchgespielt hatten, die uns alle nicht ideal erschienen. »Wenn ich es richtig mitbekommen habe, ist Jan gestern oder heute nach Zürich gefahren, um dort ein Praktikum zu machen, und kommt erst in sechs Wochen zurück.«
»Wer ist Jan?«, fragte ich verwirrt.
»Ach, einer von den Jungs aus der Nachbar-WG. Er hat Archäologie hier an der Uni studiert und hat über einen Bekannten Kontakte zum Archäologiemuseum in Zürich geknüpft. Wenn er Glück hat, bekommt er dort sogar einen Job«, erklärte sie mir.
Beate war sofort von der Idee begeistert. »Mensch, klar, wir gehen gleich rüber und fragen nach. Die M&Ms haben bestimmt nichts dagegen, die sind doch immer total unkompliziert, und Friedrich soll sich nicht so haben.« Sie sprang auf und wollte gleich zur Tür stürmen.
»Moment mal«, sagte ich, »da wohnen nur Jungs? Kann ich nicht vielleicht ein paar Nächte bei euch bleiben? Und wer oder was sind bitte schön die M&Ms? Kann man die essen?« Irgendwie war mir die Sache nicht ganz geheuer.
Sofort hatte ich babbo vor Augen, außer sich vor Sorge um seine bella bimba, der mit einem Fleischermesser auf die drei Deutschen losging. Für ihn waren alle jungen Männer Diebe – potentielle Diebe der Unschuld seiner Tochter sozusagen.
»Ach was«, wischte Beate meine Bedenken beiseite, »jetzt mach hier nicht einen auf prüde. Die drei sind voll in Ordnung, vor allem die M&Ms, Mike und Marcus, ein schwules Paar. Die ersetzen dir glatt deine Eltern, wenn’s sein muss, so fürsorglich sind die. Hier bei uns müsstest du auf dem Boden schlafen, und drüben hättest du ein bequemes Bett. Komm mit, wir gehen da jetzt klingeln.«
Ich nickte ergeben. »Okay.«
Wieder mal war ich froh, dass Beate so zielstrebig über mich bestimmte, denn auch wenn ich stets bemüht war, nach außen möglichst selbstbewusst und sicher aufzutreten, in mir drin sah es so manches Mal ein wenig anders aus. Aber das wollte ich mir auf keinen Fall anmerken lassen.
»Ich bin dabei«, fügte ich hinzu, »schließlich bin ich hier, um was zu erleben.«
2.
»Basta poco«
Als ich die Augen aufschlug, wusste ich im ersten Moment nicht, wo ich mich befand. Eben hatte ich noch an meinen Lieblingsfelsen gelehnt im warmen Sand am Meer gesessen und die salzhaltige Luft von Riccione eingeatmet. Auf meinem iPod lief wieder mal »Vado Al Massimo« von Vasco Rossi. »Voglio vedere come va a finire andando al massimo senza frenare« , sang er gerade, und ich summte begeistert mit. Da ertönte jäh ein entsetzliches,
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