Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)
meine Teekanne aussah, ich erinnere mich an ein Bücherbord, das ich aus Ziegelsteinen und Brettern baute, als die anderen nicht mehr ausreichten (und Göran Printz-Påhlsons »Die Sonne im Spiegel« kam in diesem Frühjahr heraus, und alle Leute – alle Leute? – sprachen von etwas, das sie »Metapoesie« nannten), ich erinnere mich an die lächerlichsten Einzelheiten, sogar an ein verschüttetes Glas Milch in dieser Bar auf der Drottninggatan, und was ich zur Kellnerin sagte, und an bestimmte klare Morgen, aber ich kann mich überhaupt nicht an mich selbst erinnern.
Es ist, als hätte ich nicht existiert! Und es sind erst zwölf Jahre her!
Wir fangen wieder an, wir geben nicht auf!
Gibt es Persönlichkeiten? Oder gibt es nur Situationen? Und diese entsetzliche Narrenfigur mit viel zu langem Schlips und einer Jacke mit solchen Flicken aus Sämischleder auf den Ellbogen, wie sie in den fünfziger Jahren populär waren, die sich in dieser unbeschreiblichen, schaukelnden, monströsen Gangart bewegt – wer soll das eigentlich sein?
Gab es da nichts anderes, keine Wärme, keine Hoffnung, gar nichts? War das Ganze schon von vornherein ein verlorenes Spiel? Nein, so war es nicht.
So ist es nie. Wir sind es, die es verloren geben.
Am einunddreißigsten März 1958 beginnt die Schneeschmelze. Und dies ist keine von den banalen Wetterbeschreibungen, in denen zu brillieren kontinentale Kritiker uns primitive und wilde Skandinavier ständig beschuldigen, dies ist ein wichtiger Teil meiner Erzählung.
An diesem ungewöhnlich warmen Tag, der also der erste Frühlingstag ist, und nicht nur der erste Frühlingstag in diesem Jahr, der erste Frühlingstag seit vielen Jahren, ein Tag, an dem das Reden einen seiner Triumphe feiern wird, suche ich den Dozenten Sören Halldén auf, um bei ihm eine Prüfung abzulegen. Halldén, der erstaunlich schüchtern ist, stellt keine richtigen Fragen, wir plaudern ein wenig über dies und jenes miteinander, werfen einander nervös, aber nicht unfreundlich Stichworte zu, wir plaudern eher über Philosophie, als daß wir über Philosophie reden, die Frühlingssonne draußen und das nervöse, ein wenig ungeduldige Temperament des sehr intelligenten Lehrers hindern uns daran, uns auch nur einen Augenblick lang richtig auf die Prüfung zu konzentrieren. Nach einer halben Stunde, als ich immer noch auf den eigentlichen Beginn der Prüfung warte, bittet er um mein Prüfungsbuch und trägt die Note mit einer Geste ein, die so deutlich seine Verachtung dieser ganzen Universität und all ihren Vorschriften gegenüber enthüllt, daß ich mir vor lauter Entzücken ein Lachen nicht verkneifen kann,
und wir fühlen uns irgendwie als Kameraden und gehen durch den englischen Park, um in dem ewigen Café zusammen Kaffee zu trinken, und ich habe keine Ahnung, daß mich an diesem Tag noch eine Prüfung erwartet. Ungefähr um Viertel vor eins entschuldigt sich der Dozent und geht, er hat viel zu tun, da er im Lauf der Zeit Professor in Lund werden wird, aber davon wird er noch über viele Jahre hinaus nichts wissen.
Und ich, ich bleibe noch fünf oder zehn Minuten dort, gehe dann die Treppe hinauf, ins Licht hinaus, den Berg hinunter, wo die Vormittagsstunden alles zu Wasser geschmolzen haben, so daß es nun wie ein kleiner Fluß den Rinnstein hinabströmt, und da sind ein paar Leute, die ich kenne, und ich finde den klugen, den empfindsamen Björn Nilsson mit seinem hinkenden Bein und seinem erschöpften kleinen Lachen, und auch die rundliche dunkle Maria Brohult ist da, und der ganze Winter ist auf einmal fort, jetzt löst sich etwas, und ein paar Schatten fliegen auf, ein paar Vogelschwärme (schwarze), die vier, fünf, vielleicht auch zehn Jahre lang über mir gehangen haben, verschwinden für einen Augenblick (die Freiheit existiert), und da ist ein Mädchen mit langem, ein wenig rötlichem Haar und einer langen schönen Nase, sie ist mindestens einen Kopf größer als ich. Wir nennen sie Ingrid Bergström,
und sie sagt
natürlich haben wir uns schon getroffen, erst vor ein paar Tagen im Café unten, aber du hast mich nicht gesehen, und Björn Nilsson, der nicht weiß, daß wir im nächsten Dezennium jahraus und jahrein fast jeden Tag miteinander telefonieren werden, wenn er in der Kulturredaktion des Expressen gelandet ist, sagt
jetzt lassen wir uns alles den Buckel runterrutschen, jetzt wollen wir Streichhölzer segeln lassen
und tatsächlich fangen wir an, Streichhölzer segeln zu lassen,
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