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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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und der Welt kann beginnen.
    Jetzt weiß das Kind sich zu benehmen, und eben das sollte die Welt auch tun, aber das tut sie keineswegs.
    Die Welt benimmt sich nicht. Sie widerspricht dir. Du versuchst, so zu handeln, wie man es von dir erwartet, aber wenn du schlau genug bist, wirst du merken, daß deine Erwartung immer um einen Schritt hinterher ist. Deine eigene Erfahrung stimmt nie mit der Welt überein, denn daß sie deine Erfahrung verändert, das macht die Welt aus.
    Und das Kind lernt, zwischen sich selbst und den Fremden zu unterscheiden, zwischen seinem Leben und fremdem Leben. Es lernt, zwischen der Privatsphäre und der anderen, fremden, öffentlichen zu unterscheiden.
    Es dauert lang und ist schwer, Zugang zu der Erfahrung eines anderen Menschen zu finden, es ist so kompliziert und wechselhaft, wie du es dir nie vorgestellt hättest, als du zum erstenmal darüber nachzudenken begannst. An einem Nachmittag kannst du durch bloßen Zufall über ein fremdes Leben mehr erfahren als in zehn Jahren davor. Und die Liebe, die eine Form des Wissens ist, mißbraucht der verschreckte, unsichere Mensch dazu, Macht zu erlangen, da Macht die einzige solide soziale Beziehung ist, mit der die Gesellschaft ihn vertraut gemacht hat.
    Du fühlst ein Bedürfnis nach Liebe, nach einem Punkt, wo Gleichberechtigung herrscht, du ahnst die Möglichkeit, über andere etwas zu wissen, was das Wissen über dich selbst unendlich erweitern würde.
    Rätselhafte Widerstände stellen sich in den Weg.
    Wir existieren in einer schizophrenen Form des sozialen Lebens. Fremde Mächte haben unser normales Leben okkupiert; und genau wie fremde Eroberer die Ureinwohner von Venedig in einen entlegenen Sumpf hinaustrieben, wo sie ihre Stadt auf Pfählen im Wasser bauen mußten, haben die Mächte, die uns und unsere Kräfte ausbeuten, uns in eine unfruchtbare Einöde getrieben, die wir das private Leben nennen.
    Das »Fremde« hat auch uns selbst erobert und uns in einen einsamen Winkel gedrängt, in den Sumpf unserer eigenen Existenz, den wir »Privatleben« nennen; Heim, Familie, Liebe geben uns kurze Stunden einer Freiheit, die wir in der Arbeit, im Umgang mit anderen, im sozialen Leben verdrängen und für verboten halten.
    Wir verfügen nicht über uns selbst, und deshalb leben wir das Leben unserer Masken. An die Stelle der Liebe tritt die Macht, die rohe, brutale Macht, und der Kampf um Prestige, der nichts anderes ist als der Kampf um die Anerkennung unserer Masken, die Furcht einflößen sollen. Wir haben gelernt, in der Grammatik der Macht zu sprechen.
    Der Unterschied zwischen öffentlich und privat, zwischen der Maske und dem lebendigen Menschen ist der Punkt, an dem unser historischer Zustand offenbar wird.
     
    Bei den Liebenden gibt es einen Augenblick, zu dem sie immer zurückkehren, und das ist der Augenblick, bevor sie sich kennenlernten.
    Sie kehren wieder und wieder dahin zurück und erzählen einander unermüdlich davon.
    Es ist, als würde ihre Liebe irgendwie von diesem Augenblick handeln .
    Und daher rührt dieses Bedürfnis, sich eine gemeinsame Vergangenheit zu schaffen, wo es keine gemeinsame Vergangenheit gibt, und das ist ein Ausdruck der tiefsten Zuneigung.
    Eingeschlossen in die schützende Glasblase, ihrer Liebe blicken sie unentwegt zurück auf diesen ursprünglichen Augenblick, in dem sie beide Fremde füreinander waren, als enthielte er eine ungeheure Verlockung.
    Und so ist es auch, denn in diesem Augenblick schwebt uns die Möglichkeit einer anderen Art von Leben vor.
    (In fünf, in zehn Minuten könnte es beginnen, wann immer wir wollen...
    Und es beginnt nicht.)
    Und diese Tiermasken, die wir uns übers Gesicht gestreift haben, sind keine Spielzeuge, wir tragen sie nicht für eine Rolle. Sie sind unsere Gesichter, und solange sie da sind, bleibt die Liebe nur eine Möglichkeit, eine Hoffnung, bestenfalls eine Einsicht.
     
    Ich bin jetzt an dem Punkt angelangt, wo meine Erzählung weitergehen kann, ohne sich in heillose Lüge und Verstellung zu verstricken.
    Die Aufrichtigkeit, der Austausch an Erfahrung, die äußerste Vertraulichkeit, die ich mir erträumte, als ich meine Erzählung begann, läßt sich innerhalb dieser Erzählung nicht verwirklichen, läßt sich innerhalb dieses schreibenden Herrn Gustafsson selbst nicht verwirklichen.
    In dem Zustand der Geschichte, in dem wir uns befinden, läßt sich das nicht verwirklichen. Und wenn ich dieser Einsicht zum Trotz so schriebe, als wäre die

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