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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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Gleichberechtigung schon fest begründet und die Liebe möglich, so würde ich doch wieder erstarren in der Welt der Bilder, der unbeweglichen Figuren, der Tiermasken, in der Welt des Bestiariums.
    Denn auch ich trage eine Maske, und diese Maske ist mein Gesicht. So müssen Traum und Wirklichkeit nebeneinander hergehen und sich gegenseitig unentwegt ein Bein stellen.
     
    Die Menschen um mich herum: ich habe sie als Bestien beschrieben, als erschreckende, höhnische Dämonen, die nur dazu da sind, um einander mit Sticheleien und Hohngelächter zu quälen. Ich habe ein paar Jahre lang mit der Möglichkeit einer totalen Misanthropie gespielt und nach einer Art endgültiger Hoffnungslosigkeit gesucht, die befreien sollte.
    (Blaues Eis, wirbelnder Wind über den Gesichtern der Festgefrorenen.)
    Glaubt mir, ich kannte die Arithmetik nur zur Hälfte. Ich blieb bei diesen fiktiven »inneren« Bedingungen stehen, die nur mein eigenes Spiegelbild der äußeren Bedingungen waren.
    Es gibt keine Dämonen, keine Bestien. Es gibt nur äußere Ordnung der Macht, die unser inneres, unser lebendiges Leben okkupiert. Stell nicht die Menschen in Frage, stell die Macht in Frage. Stell nicht die Liebe in Frage, sondern stell nur die Liebe unter den äußeren Bedingungen der Macht in Frage.
    Dann wirst du sehen, wie das Bestiarium sich verändert, wie es sich auch nur als eines der Zerrbilder der Macht entpuppt in deinem eigenen deformierenden Spiegel.
    Die Tiermasken fallen ab, und lebendige Menschen werden hinter diesen entsetzlichen Bestien sichtbar. Der Höllenlärm verstummt, und du siehst um dich her Erstaunte, Erschreckte, Hilflose, wie du selbst einer bist. Es gibt nur deine Angst und ihre Angst und die Angst vor ein und demselben.
    Ist also Liebe möglich? Ja und nein.
     
    Mit dem Mädchen, wir nennen es Ingrid Bergström, das ich an jenem Märztag im Jahre 1958 traf, unterhielt ich in den ausgehenden fünfziger Jahren lebhafte, unruhige, unglückliche Beziehungen.
    Wir glaubten immer, daß sehr bald, in ein paar Tagen oder Wochen, alle Mißverständnisse zwischen uns ausgeräumt sein würden. Das Glücksgefühl, wenn wir einander ansahen (ohne zu sprechen), sagte uns, daß nichts uns daran hindern könnte, einander zu verstehen.
    Zeitweise erschien uns jedes Wort, das gesprochen wurde, als Überfall oder Hinterhalt, als Falschheit und heimtückische Stichelei. Wir dachten immer, daß gleich um die Ecke ein besserer Zustand auf uns wartete. Wenn wir miteinander so reden wollten, daß wir uns endgültig verstanden, wurde uns immer bewußt, daß wir keine Zeit hatten, daß einer von uns in einem Zug wegfahren mußte, daß etwas anderes wichtiger war. Ich erinnere mich an ihr kluges, hilfloses Gesicht, an ihre lieben, kurzsichtigen Augen.
    Wir kamen nie auf den Gedanken, uns auch nur einen Augenblick lang zu fragen, ob die äußeren Bedingungen, die Gesellschaft, in der wir lebten, etwas mit der Sache zu tun haben könnten.
    Zum letzten Mal traf ich sie an einem Frühlingsabend im Jahre 1959. Die Kastanien blühten. Ich ging langsam heimwärts, die Straße entlang, und blätterte in einer Zeitung. Ich hatte das Gefühl, wieder heimzukehren zu dem, was mein war, heimzukehren zur Verzweiflung.
    Glaubt mir, wir kennen die Arithmetik nur zur Hälfte.
    Jetzt wurde es Zeit für neue Bombergeschwader. Und wir stellten nicht die Welt in Frage, sondern nur uns selbst.

In Pratis Vestmanniae
     
    Genug jetzt von der Angst.
    Linné nennt sie » pratis Vestmanniae «; die västmanländischen Wiesen. Mit einer verfallenden Scheune hier und da als dunklere Masse im Sommerlicht, mit weißen Flecken von Geißbart und den roten Windröschen am Waldrand, mit ganz weichem, ganz rotem Gras, das Rotschwingel heißt, breiten sie sich im Sommer aus. Vereinzelt sieht man dort noch Schmetterlinge; es ist ein Abwanderungsgebiet, und keine Industrien verpesten mehr die Luft. Alte landwirtschaftliche Geräte, die noch das Schild »International Harvester« tragen, mit zerfressenen Buchstaben wie bei einer etruskischen Inschrift, rosten im hohen Gras. In feuchten, etwas tiefliegenden Teilen der riesigen Wälder wächst noch die Nachtviole, und Ende Mai, wenn der Kuckuck noch in den Lichtungen ruft, erfüllt sie die ganze Welt mit ihrem geheimnisvollen Duft.
    Und genau dort, wo der 59. Breitengrad das Land durchquert, liegt die Gemeinde Väster Våla, über die der Reisende Olof Grau in seiner västmanländischen Reisebeschreibung von 1754 vermerkte, daß der

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