Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
des Turmes gestanden hatte. Ein kurzer Gruß, ein Auflachen - und der Franziskaner verschwand in dem kleinen Ausfalltor, etwa zwanzig Fuß von ihm entfernt.
Die Frau fasste das Kind an der Hand, nahm dann die Laterne auf und - lief geradewegs auf den Mauervorsprung zu, hinter dem Saint-Georges stand.
Da trat er hervor.
„Wer da?“ rief er mit donnernder Stimme und triumphierte leise, als er merkte, dass die parfaite, das Ketzerweib, denn um kein anderes konnte es sich bei dieser nächtlichen Konspiration handeln – aufs heftigste erschrak.
Er riss den Arm der Frau herum und blickte – in die weit aufgerissenen Augen Rixende Fabris.
„Ihr hier?“ rief er bestürzt, und in seinem Herzen verspürte er die Anspannung, dieses seltsame Ziehen, das der Anblick der jungen Frau bislang jedesmal bei ihm hervorgerufen hatte.
„Was habt Ihr zu dieser Stunde mit einem Frater der Franziskaner zu schaffen, Frau Fabri?“
Rixende war beim Anblick des Inquisitors und noch mehr bei seinen donnernden Worten auf den Tod erschrocken. Er war der letzte, den sie in diesem Augenblick treffen wollte. Hütet Euch vor der Dunkelheit, hatte ihr die arme Lusitana geraten. Der elende Kerl, der die Wahrsagerin auf dem Gewissen hatte, musste die Inquisition verständigt haben. Doch vom Berardturm und seinem Geheimnis hatten einzig Délicieux, Benete und sie selbst gewusst. Paco war erst am Brunnen eingeweiht worden.
Rixende wusste, dass sie jetzt kein falsches Wort sagen durfte. Zu viel stand auf dem Spiel, nicht nur für sie selbst. Eine flammende Röte überzog ihr Gesicht, dennoch fröstelte sie.
„Ihr habt mir vielleicht einen Schrecken eingejagt, Herr Inquisitor!“ Sie setzte ihr ehrerbietigstes Lächeln auf, seufzte einmal tief und fast verzweifelt und stellte dann die Laterne neben sich auf den Weg. So war wenigstens ihr Gesicht nicht mehr beleuchtet. Um Zeit zu gewinnen und sich zu beruhigen, nestelte sie umständlich an der Kapuze ihres Umhanges. Der Junge an ihrer Seite beobachtete mit neugierigen Augen die Szene, und die junge Frau hoffte inständig, dass er sich still verhalten möge. Sie strich ihm über den Kopf.
„Es tut mir leid, dass ich Euch so erschreckt habe“, sagte Saint-Georges irgendwie betreten. Er wich einen Schritt zurück. „Ich konnte ja nicht wissen ... ich dachte ... ich meinte ... also ...“ Nun spürte der Inquisitor, wie ihm eine merkwürdige Hitze zu Kopfe stieg. Was war nur mit ihm los? Was fiel ihm ein, vor dieser Frau derart herumzustottern?
„Ich hatte angenommen, hier wäre eine katharische Verschwörung zugange“, stieß er dann in einem Satz hervor, froh, seine Fassung und die nötige Geistesklarheit wiedergewonnen zu haben.
Rixende brachte es fertig, ein wenig spöttisch zu lachen. „Aber, aber, Herr Inquisitor, eine katharische Verschwörung mit einem Franziskaner? Ihr habt den lieben langen Tag mit Ketzern zu schaffen, so dass Ihr Euch wohl schon von ihnen umstellt wähnt, nicht wahr?“
„Das ist meine Aufgabe, Rixende Fabri“, sagte der Inquisitor jetzt wieder förmlich. „Ihr habt keine Vorstellung von dem, was in unserem Lande abläuft. Selbst Mönche, vor allem Franziskaner, sind nicht vor dem katharischen Gift gefeit. Die Ketzer stecken überall.“
Saint-Georges sah der Frau ernst ins Gesicht.
„Jetzt sagt mir endlich, was hattet Ihr mit diesem Mönch zu schaffen?“
„Also das ist schnell erklärt“, erwiderte Rixende, ziemlich erschrocken über den scharfen Ton, den der Inquisitor erneut anschlug, und ihre Augen musterten ihn ängstlich.
„Das Haus Fabri hat den Berardturm vom Orden der Franziskaner für Lagerzwecke angemietet, und unser neues Bürschlein hier hat am späten Nachmittag begonnen, den Turm zu säubern. Ich habe ihn begleitet, weil er noch sehr jung ist und ich ihn anweisen musste.“
Paco warf ihr einen verdutzten Blick zu, und Rixende strich ihm noch einmal wohlwollend über seine Locken. Dann beantwortete sie vorauseilend eine Frage, die Saint-Georges gar nicht gestellt hatte.
„Dass der Franziskaner den Schlüssel noch einmal mitgenommen hat, liegt daran, dass er morgen früh einen seiner Novizen vorbeischicken will, um den groben Schmutz und die alten Körbe auf einem Karren wegzuschaffen. Wie Ihr seht, Herr Inquisitor“, ergänzte Rixende, „es handelt sich um keine Verschwörung oder dergleichen!“
Sie hoffte inständig, dass der Mann ihr nun Glauben schenkte, und schenkte ihm ihrerseits vorsorglich ein Lächeln.
Saint-Georges
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