Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
sich.
„Ach, Pater Bernhard“, sagte er. „Ich bin überrascht, denn ich dachte, ich hätte meinen Freund, den Senator Castel Fabri diesen Turm betreten sehen. Ich muss mich wohl getäuscht haben. Nichts für … nun, nichts für ungut“, meinte er zögerlich und wandte sich zum Gehen.
„Nein, Ihr habt Euch nicht getäuscht, Senator Martell“, sagte da der alte Fabri freundlich, der hinter Délicieux getreten war. „Ich bin tatsächlich hier.“
Er erzählte dem Mann die gleiche Geschichte, die Rixende in der Nacht zuvor Saint-Georges aufgetischt hatte. Dennoch versuchte Martell mehrmals, an Délicieux und Fabri vorbei einen neugierigen Blick in den Turm zu werfen. Endlich verabschiedete er sich wieder.
„Ich denke, sein Besuch war ganz harmlos“, meinte Castel Fabri leichthin, nachdem er wieder Platz genommen hatte. Der Blick jedoch, den Délicieux mit Rixende austauschte, drückte tiefe Besorgnis aus.
Als es wenig später erneut klopfte, war es Paco, der lachend Einlass begehrte.
„Wo kommst du her? Wie bist du aus dem Labyrinth herausgekommen?“ Die Fragen prasselten nur so auf das Bürschlein herab, das mit stolzgeschwellter Brust auf Rixende zulief und sagte:
„Die beiden Mönche sind noch immer unten, aber sie werden bald zurück sein.“
Délicieux schob das Brett zur Seite und spähte in die Tiefe.
„Und wie bist du herausgekommen, Junge?“ fragte Rixende.
„Da gab es einen schmalen Seitengang, den ich erkunden sollte. Die anderen haben mich angeseilt, und ich bin dort hineingekrochen. Und nun ratet, Herrin, wohin dieser Gang führte!“
Rixende schüttelte ihn. „Sag es uns, mach rasch!“
„Nun geradewegs in das Lagerhaus des ehrwürdigen Herrn Fabri!“ Paco deutete auf den alten Mann.
„Wie?“ Fabri erhob sich keuchend von dem Stuhl. „Das kann nicht sein, du musst dich getäuscht haben, Bürschlein! Ich kenne meine Häuser in- und auswendig!“
„Ich lüge nicht, Herr! Am Ende des Ganges befand sich ein kleiner hölzerner Verschlag. Ich rüttelte ein wenig daran, da löste sich eine Latte. Plötzlich sah ich dunkle Stoffballen vor mir, vier an der Zahl, genau solche, wie Ihr sie in Eurem Lager aufbewahrt. Ich wunderte mich sehr, Herr, seid Ihr doch der einzige Stoffhändler in der Stadt. Ich musste also in Eurem Lager angekommen sein, wo denn sonst!“
„Weiter, Junge!“ Fabri drängte.
„Ich schob die Ballen zur Seite, löste das Seil, kroch hinüber, und als ich mich umdrehte, sah ich, dass ich tatsächlich aus einem Eurer großen Warengestelle herausgekrochen war. Rasch schob ich die vier Stoffballen wieder zurecht. Um mir die Stelle zu merken, habe ich eine Rolle mit güldenem Draht davorgestellt. Dann habe ich mich in den Hof geschlichen, wo Euer Geselle Felix arbeitete, und bin, ohne dass er es gemerkt hat, an ihm vorbei auf die Gasse hinausgelaufen.“
In diesem Moment rumorte es im Schacht. Hustend kletterten die Novizen die Leiter empor. Sie waren über alle Maßen erstaunt, Paco vorzufinden, auf den sie lange gewartet hatten.
Man hatte tatsächlich den Kerker ausfindig gemacht. Dennoch war eine Befreiung unmöglich gewesen, weil das Stemmeisen abgebrochen war.
Morgen wollte man mit einem stärkeren Eisen das Glück erneut versuchen.
14
Träg kam der Mond zur mitternächtigen Stunde,
wie eine Schale anzusehn, die brennt ...
Dante, Die Göttliche Komödie
Jede Reise birgt die Gefahr eines Abschieds für immer. Dennoch hielten Fabri und Rixende seit Wochen unermüdlich Ausschau nach Aimeric und seiner Begleitung. Auch Benete lief jeden Nachmittag zur Porte d`Aude hinaus, hinunter zum Fluss, um die Schiffsleute zu befragen, und schlich mit traurigem Gesicht zurück. Mit jedem Tag, der verstrich, ohne dass man Nachricht von Aimeric hatte, wurde Rixende das Herz schwerer, wuchs ihre Angst. Sie arbeitete fast ohne Unterbrechung und ließ sich bis tief in die Nacht von Fabri in alle Geschäfte des Hauses einweisen, nicht zuletzt um sich und ihn abzulenken, aber auch um gewappnet zu sein, falls Aimeric tatsächlich etwas zugestoßen war.
Als weitere zwei Wochen ohne Hinweis vergingen, bat Fabri Délicieux zu sich.
„Wie kann es sein, dass fünf Leute spurlos verschwinden?“ fragte er, und seine Stimme klang verzweifelt. „Einer mag überfallen werden, vielleicht noch zwei, aber fünf? Mein Sohn und sein Begleiter trugen Waffen bei sich!“
„Auch ich mache mir inzwischen große Sorgen, Herr Fabri“, sagte der Lektor. „Von einem Schiffsunglück
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