ROMANA EXKLUSIV Band 0173
einmal auf dieses Wunder hoffen.
Doch dazu musste sie zuerst die Scham über ihr eigenes Verhalten überwinden. Sie hatte den Scheich in El Amir gehasst, der in ihr nur einen Körper gesehen hatte, den er nach Belieben benutzen konnte. Und sie hatte die Frauen verachtet, die ihm so willig zu Diensten waren. Dennoch hatte sie in der letzten Nacht mit Robert ihren Körper genau zu dem Zweck eingesetzt, den ihr damaliger Kerkermeister und seine Frauen ihm zugemessen hatten. Sie hatte die Sitten und Vorstellungen dieser Menschen verurteilt und war trotz all ihrer liberalen Ansichten nicht besser. Sie hatte Robert benutzt, hatte ihn gegen seinen Willen zur Liebe verführt.
Und sie war dafür bestraft worden. Nun blieb ihr nichts übrig, als ihren Schmerz zu ertragen, bis die Zeit ihm allmählich lindern würde. Sie stürzte sich in ihre Arbeit in dem Versuch, ihren Gefühlen einen künstlerischen Ausdruck zu verleihen und sie so zumindest produktiv zu nutzen. Immer noch waren die Berge ihr Motiv, doch sie fuhr nicht mehr hinauf, sondern malte sie von unten. Die scharfe, zerklüftete Silhouette, vor Urzeiten als glühende Lava im Feuer entstanden und zu kaltem, hartem Fels erstarrt, erschien ihr wie ein Spiegelbild der eigenen Seele.
Wenn sie den Pinsel beiseitelegte, ging sie schwimmen, um abends müde zu sein. Dennoch lag sie fast jede Nacht stundenlang wach und versuchte, die quälenden Gedanken zu verdrängen.
Tamsyn Chapman rief an. Sie und ihr Mann waren von dem Gemälde mit den Lichtfischern so begeistert gewesen, dass Grant eine stattliche Summe dafür bezahlt hatte. „Sie sollten kommen und sich ansehen, wie es an seinem neuen Platz in unserem Haus wirkt“, lud Tamsyn sie nun ein. „Wie wär’s mit morgen Nachmittag? Wir trinken gemütlich Tee und plaudern ein wenig über Neuseeland.“
Marian zögerte. Die Chapmans waren zu eng mit Robert befreundet. Andererseits wollte sie Tamsyn nicht brüskieren und war überdies für jede Ablenkung dankbar. Also nahm sie die Einladung an.
Tamsyn war an diesem Nachmittag allein zu Hause. Stolz zeigte sie Marian den Platz, den ihr Gemälde in der beträchtlichen Kunstsammlung der Chapmans einnahm, und Marian fand ihn perfekt gewählt. Es war immer angenehm, mit Tamsyn zu plaudern, denn mit ihrem natürlichen, unwiderstehlichen Charme gab sie jedem das Gefühl, ein gern gesehener Gast zu sein. So auch Marian.
„Ich vermisse Louise schrecklich, und ich glaube, sie hat auch etwas Heimweh“, erzählte Tamsyn, als sie beim Tee saßen. „Oh, sie liebt ihr Internat, und an den Wochenenden besucht sie meine Eltern und natürlich Robert, aber das ist doch etwas anderes.“
„Er wohnt in der Nähe der Schule?“
„Ja, nur eine kurze Autofahrt entfernt.“ Tamsyn lachte. „Ihnen ist vielleicht nicht entgangen, dass Louise bis über beide Ohren in Robert verliebt ist. Er nimmt es mit Humor und ist unglaublich nett zu ihr. Robert kann überhaupt gut mit Kindern umgehen. Zu schade, dass er keine eigenen hat.“
Es wurde ein netter Nachmittag. Marian mochte Tamsyn Chapman wirklich gern und hätte sie sich unter anderen Umständen als Freundin gewünscht.
Am nächsten Tag mietete Marian von Sinas Mann ein kleines Boot mit Außenbordmotor und fuhr hinaus zu einer der winzigen Inseln auf dem Riff, um die hohen Berge mit der Lagune im Vordergrund zu malen. Sie stellte ihre Staffelei unter eine Kokospalme in den Sand und machte sich an die Arbeit.
Etwa eine Stunde später, als sie einen Schritt zurücktrat, um ihr Werk zu begutachten, gab der Sand unter ihrem Fuß nach, und sie rutschte seitlich weg. Ihr Kopf schlug unglücklich gegen den Stamm der Palme, sie verspürte einen dumpfen Schmerz und sank ohnmächtig in den Sand.
Das Erste, was sie registrierte, als sie wieder zu sich kam, waren schreckliche Kopfschmerzen. Wenn sie den Kopf auch nur ein klein wenig bewegte, wurde ihr übel. Sie schluckte. Ihre Kehle war wie ausgedörrt, ihr verletzter Knöchel tat unerträglich weh.
Das Vernünftigste war, zunächst ganz ruhig liegen zu bleiben und zu überlegen, was zu tun sei. Geblendet vom gleißenden Licht der Sonne, versuchte sie vorsichtig, ihren Fuß zu bewegen. Es war, als habe man ihr einen Dolch in den Knöchel gestoßen. Sie stöhnte auf und fühlte, wie ihr der Schweiß ausbrach.
Ein paar Minuten atmete sie ruhig und tief durch. Dann zwang sie sich, mit zusammengekniffenen Augen zum Himmel hinaufzublinzeln. Sie wusste nicht, wie lange sie bewusstlos gewesen war,
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