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Rot und Schwarz

Titel: Rot und Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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der niedliche Fuß und die durchbrochenen Strümpfe der Hausherrin auch den Blick des galanten Landrats auf sich gezogen.
    Frau von Rênal bekam einen Todesschreck. Im Moment ließ sie Schere, Wollknäuel und Sticknadel fallen, so daß Julians Bewegung allenfalls für einen ungeschickten Versuch gelten konnte, die Schere, die er hatte fallen sehen, mit dem Fuß aufzufangen. Glücklicherweise brach die dünne kleine Schere aus englischem Stahl entzwei, und Frau von Rênal beklagte immer wieder, daß Julian ihr nicht rascher zur Hand gewesen sei.
    »Sie haben doch vor mir gesehen, daß sie fiel!« warf sie ihm vor. »Statt mir im blinden Eifer den Fuß zu zertreten, hätten Sie die Schere aufhalten sollen!«
    Der Landrat ließ sich täuschen. Nicht so Frau Derville. »Der hübsche Bursche hat recht törichte Manieren«, dachte sie bei sich. Der gute Ton der Provinz duldet dergleichen Vertraulichkeiten nicht.
    Sobald sich die Gelegenheit bot, flüsterte Frau von Rênal Julian zu: »Seien Sie vernünftig! Ich befehle es Ihnen!«
    Julian sah seine Ungeschicklichkeit ein und bekam schlechte Laune. Lange grübelte er darüber nach, ob er sich über die Worte: Ich befehle es Ihnen! ärgern müsse oder nicht. In seiner Torheit geriet er auf den Gedanken: »Wo es sich um eine pädagogische Frage hinsichtlich der Kinder handelt, dann kann sie mir ›Ich befehle‹ sagen. In Dingen der Liebe jedoch muß sie uns beide für gleichgestellt erachten. Liebe ohne Gleichheit ist ein Unding!« Nun verlor er sich darin, Aussprüche hierüber auszudenken. Voll Bitternis wiederholte er sich einen Vers Corneilles, den ihm Frau von Rênal einmal hergesagt hatte:
    »Die Liebe erzeugt die Gleichheit, doch sie sucht sie nicht.«
    Julian war darauf versessen, den Don Juan zu spielen: er, der noch nie eine Geliebte gehabt hatte. Er war den ganzen Tag über halb wahnsinnig. Ein einziger Gedanke beherrschte ihn. Zerfallen mit sich selbst wie mit Frau von Rênal, graute es ihm vor dem Abend, wo er im Garten sitzen würde, ihr zur Seite, im nächtlichen Dunkel.
    Er meldete Herrn von Rênal, er wolle nach Verrières gehen, zum Pfarrer. Gegen Abend, nach Tisch, brach er auf und kehrte erst spät in der Nacht zurück.
    In Verrières fand er den Pfarrer Chélan im Umzuge begriffen. Man hatte ihn endlich in der Tat abgesetzt. Vikar Maslon trat an seine Stelle. Julian war dem guten alten Mann behilflich. Dabei fiel ihm ein, seinem Freunde Fouqué einen Brief zu schreiben. Der unbezwingliche Drang, Geistlicher werden zu wollen, hätte ihn im ersten Augenblick daran gehindert, seinen freundschaftlichen Vorschlag anzunehmen. Jetzt aber, wo er eben ein so überzeugendes Beispiel von Ungerechtigkeit vor Augen habe, jetzt sähe er ein, daß er im Leben weiterkommen werde, wenn er auf den geistlichen Stand verzichte.
    Julian bildete sich ein, sehr schlau zu handeln, wenn er die Maßregelung des Pfarrers benutzte und sich die Hintertür, doch noch Kaufmann zu werden, offenhielt für den Fall, daß seine hochfliegenden Pläne am nebeligen Gestade des nüchternen Menschenverstandes scheitern sollten.

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Fünfzehntes Kapitel
Der Hahnenschrei
Amour en latin faict amor;
Or donc provient d'amour la mort,
Et, par avant, soulcy qui mord,
Deuil, plours, pieges, forfaitz, remords...
    Blason d'amour
    W äre Julian nur einigermaßen so weltgewandt gewesen, wie er dies zu sein sich schmeichelte, so hätte er sich am nächsten Morgen zu der Wirkung seines Ganges nach Verrières gratulieren können. Seine Abwesenheit hatte sein ungeschicktes Benehmen vergessen gemacht.
    Wiederum war er den ganzen Tag über mißlaunig. Gegen Abend verfiel er auf eine komische Idee, die er Frau von Rênal in unglaublicher Verwegenheit kundgab. Kaum saß man, wie immer, im Garten und noch war es nicht genügend dunkel, da näherte sich Julian mit seinem Munde Frau von Rênals Ohr und raunte ihr, ungeachtet der Gefahr, sie heillos zu kompromittieren, zu: »Gnädige Frau, heute nacht um zwei Uhr werde ich in Ihr Zimmer kommen. Ich muß Ihnen etwas sagen.«
    Julian war voller Angst, sein Verlangen könne abgeschlagen werden. Seine Verführerrolle war ihm schauderhaft lästig, und es wäre seiner innersten Natur viel angenehmer gewesen, wenn er sich ein paar Tage lang in sein Zimmer hätte einschließen dürfen und die beiden Damen nicht zu sehen bekommen hätte. Es war ihm klar, daß er sich gestern durch sein dummes Betragen alle bis dahin errungenen Vorteile wieder verscherzt hatte.
    Frau von

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