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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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die Sauerstoffmaske und sah ihn zu ihr aufblicken. Es war ein verzweifelter Blick. So oft schon hatte sie Angst und Schrecken in den Augen eines Patienten gesehen und sich gezwungen, die eigenen Gefühle zu unterdrücken und sich auf ihren Job zu konzentrieren. Doch diesmal konnte sie nicht über die Furcht in den Augen ihres Patienten hinwegsehen. Diesen Mann hier kannte sie, und sie hatte ihn mit der Zeit immer mehr gemocht.
    »Es wird alles gut«, sagte sie. »Das müssen Sie mir glauben. Ich werde nicht zulassen, daß
irgend etwas
schiefgeht.« Sanft hielt sie sein Gesicht zwischen ihren Händen und lächelte.
    »Verlasse mich … auf Sie … Harper«, murmelte er. Sie nickte. »Tun Sie das, Robbie. Und jetzt kommt gleich der Schlaf.«
    »Wecken Sie mich … wenn es vorbei ist …«
    »Schon bald wieder.« Sie nickte der Anästhesistin zu, die das Etomidat in die I.v.-Kanüle leitete. »Schlafen Sie, Robbie. Ja, so. Ich bin da, wenn Sie wieder wach werden …«
    Sein Blick blieb auf sie gerichtet. Ihr Gesicht war das letzte Bild, das er in sich aufnahm, das letzte, was er sah. Sie beobachtete, wie das Bewußtsein aus seinen Augen verschwand, die Muskeln sich entspannten und die Augenlider zufielen.
    Ich werde nicht zulassen, daß irgend etwas schiefgeht.
    Sie nahm die Sauerstoffmaske von seinem Gesicht. Mit einem Griff legte die Anästhesistin Robbies Kopf nach hinten und schob das Laryngoskop in seinen Hals. Sie brauchte nur Sekunden, bis sie seine Stimmbänder lokalisiert und den Tubus zwischen beiden hindurch in die Luftröhre geschoben hatte. Die Sauerstoffzufuhr wurde angeschlossen, der Schlauch fixiert. Jetzt übernahm die Beatmungsmaschine die Arbeit und preßte eine genau abgemessene Mischung aus Sauerstoff und Halothan in seine Lungen.
    Ich werde nicht zulassen, daß irgend etwas schiefgeht.
Toby atmete tief aus. Dann zog sie schnell die OP-Kleidung über. Sie wußte, daß sie hier gegen jegliche Sterilitätserfordernisse verstießen, aber dagegen war nun nichts zu machen. Keine Zeit, alles steril zu machen. Sie zog neue Handschuhe an und trat an den Tisch.
    Jetzt stand sie Doug Carey direkt gegenüber. Den Brustbereich des Patienten hatten sie hastig mit Betadin keimfrei gemacht und mit sterilen Tüchern abgedeckt.
    Carey setzte den Schnitt an, einen sauberen Schnitt vom Brustbein abwärts. Besonders zart und vorsichtig vorzugehen, war jetzt nicht die Zeit. Der Blutdruck fiel ab – der obere Wert lag bei siebzig, trotz drei großkalibriger I.v.-Kanülen, die Elektrolytlösung und Blut aus der Konserve in seinen Kreislauf strömen ließ. Toby war schon vorher bei Notfall-Thorakotomien dabeigewesen, und die Brutalität, mit der das geschah, hatte sie jedesmal mehr als erschreckt. Auch diesmal sah sie mit einem leichten Schwindelgefühl zu, wie Carey die Säge handhabte und das Brustbein in einer Wolke von Knochenstaub und Blutspritzern aufgetrennt wurde.
    »Mist«, sagte Carey und sah in die Brusthöhle. »Da schwimmt ja wenigstens ein Liter Blut. Absaugen! Sterile Tücher!«
    Das Gurgeln des Saugkatheters war so laut, daß Toby kaum den Piepton hörte, der Robbies Herzschlag auf dem Monitor signalisierte. Val saugte ab, und Maudeen riß die sterile Hülle von einem Paket Tücher. Carey schob eines in die Brusthöhle und zog es wieder heraus. Es war rot durchweicht. Er warf es auf den Boden und schob ein neues nach. Wieder kam es blutgetränkt heraus.
    »Okay, okay. Ich glaube, ich sehe, wo es eintritt. Sieht nach der aufsteigenden Aorta aus – schneller Blutverlust. Toby, ich brauche mehr Licht …«
    Der Saugkatheter gurgelte noch immer. Das meiste Blut war jetzt aus dem Brustraum entfernt, aber aus der Aorta floß es in einem stetigen Strom nach.
    »Ich sehe nirgends ein Projektil«, sagte Carey. Er warf einen Blick auf die Röntgenaufnahme und dann wieder in die offene Höhle. »Da ist ein Loch, aber wo ist die verdammte Kugel?«
    »Können Sie es nicht einfach flicken?«
    »Sie könnte noch in der Aortawand stecken. Nähen wir das Loch zu, könnte das Projektil später an einer anderen Stelle ein neues Loch reißen.« Er nahm Nadel und Faden zur Hand. »Okay, nähen wir die Stelle erst einmal zu. Dann schauen wir uns um …«
    Toby zog die Lunge zurück, während Carey arbeitete. Er nähte schnell. Die Nadel setzte einen Stich nach dem anderen in die Aortawand. Als er den letzten machte und die Blutung gestoppt war, gaben alle im Raum gleichzeitig einen Seufzer der Erleichterung von

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