Rubinsteins Versteigerung
für diesen Job brauchen wir vor allem zwei Sachen: Menschen und Geld. Darum will ich euch, vor allem die Jüngeren, bitten, kommt zu uns nach Israel und
helft uns. Und die ein bisschen Älteren, helft uns mit Geld. Das brauchen wir auch, dringend, um uns verteidigen zu können, denn wie ihr alle wisst, Waffen sind sehr teuer, und Israel ist sehr arm.
So, ich habe genug geredet. Jetzt seid ihr dran. Stellt eure Fragen.«
Alle klatschen wie blöd – auch ich. Das war wirklich klasse. In einer Minute hat der Typ alles gesagt, was zu sagen war. Ohne Phrasen.
Während Feinberg umständlich den Diskussionsmodus erläutert, heben alle brav wie Erstklässler ihren Finger in die Höhe und warten, bis sie an der Reihe sind – auch ich. Jetzt müsste Polzig mich sehen: diszipliniert!
Was die Vögel alles wissen wollen. Ob man als Einzelkind auch an die Front muss. Wie viele Soldaten die Armee hat, wie viele Flugzeuge, wie viele Panzer. Warum Araber nicht zum Militär dürfen und Drusen doch. Ob man mit den erbeuteten russischen Waffen etwas ›Vernünftiges‹ anstellen kann.
Wenn jeder mit seinen idiotischen Fragen drankommt, kann ich warten bis morgen früh. Was soll’s? Der Kerl weiß wahrscheinlich auch nicht genau, ob man die besetzten Gebiete zurückgeben wird.
»Herr General, es gibt Gerüchte, dass Israel im letzten Krieg Napalmbomben eingesetzt haben soll?«
Feinberg schüttelt missbilligend seinen Kopf über diese despektierliche Frage von Chaim Zuckervogel.
»Um Panzer abzuschießen, ist Napalm am besten.« Er hat nicht einmal seine Stimme erhoben. Im Raum ist esvollkommen ruhig. Alle sind sprachlos. Der General hat zugegeben, worüber unter Juden seit dem Sechs-Tage-Krieg pausenlos und erbittert diskutiert wurde – ohne Aufhebens. Einfach als Tatsache. Keine langatmigen Erklärungen, keine Entschuldigungen. Napalm ist am besten, also wird es verwendet, aus. Die Burschen da unten wissen, was sie tun. Bei uns würde man wahrscheinlich so lange darüber diskutieren, ob der Einsatz von Napalm oder anderer Waffen moralisch zu rechtfertigen ist, bis man sich wieder in der Gaskammer gefunden hätte. Dennoch, diese Kälte ist irgendwie unheimlich, genau wie sein Linealscheitel. Schon plappert Feinberg wieder los. Da spüre ich einen Schlag auf meinem Rücken. Erschrocken drehe ich mich um und sehe Mottl ins Gesicht.
»Jonny-Leben!«
»Mottl.« Der Kerl hat sich einen Bart stehen lassen. »Wie geht’s dir, ich dachte, du bist in Israel.«
»Ruhe!«
»Sssss!«
»Still!«
»Komm, Jonny, lass uns hier verschwinden! Wir stören diese Idioten bei ihrer Andacht!« Mottl legt mir seinen schweren Arm um die Schultern, wir schieben uns durch die dichten Reihen aus dem Raum.
»Sag mal, seit wann bist du Vogel wieder im Lande und für wie lange?«, frage ich ihn draußen.
»Seit weniger als einer Woche, Jonny, sonst hätt’ ich dich schon längst angerufen.«
Mottl legt eine Kunstpause ein und fährt mit lauter Stimme fort: »Ich bin heimgekehrt, um hierzubleiben …Für ganz! Da schaust, Jonny, gell! Mottl Bernstein, der Einzige aus der ganzen ZJD 2 -Bande in München, der den Zionismus wirklich ernst genommen hatte und sofort nach dem Abitur nach Israel eingewandert ist. Damals hab ich noch gesagt, ›aufgestiegen‹ ist. Und jetzt bin ich halt wieder zu euch nach Deutschland abgestiegen. Und wenn ich so was wie heute da drinnen sehe, dann weiß ich, dass ich es hundertprozentig richtig gemacht habe. Wenn ich das schon hör: ›Napalm ist am besten, also verwenden wir es eben.‹ In ein paar Jahren wird er auf die Idee kommen, dass die Atombombe am besten ist. ›Dann verwenden wir sie eben!‹ Das sind doch keine Juden mehr, das sind Preußen oder Maschinen oder was sonst auch immer.
Der Name von dem Kacker sagt doch schon alles. Nomen est omen! Almagor, wenn ich das höre, krieg ich schon eine Gänsehaut. Almagor, klingt gut, gell, aber weißt du, was der Name bedeutet?«
»Nein.«
»Dacht ich mir’s doch! Almagor heißt: ohne Angst. Sakrament! Innerhalb einer Generation, was sag ich, innerhalb weniger Jahre: vom Gottesfürchter zum Mann ohne Angst. Vom Juden zum gefühllosen Automaten. Zum Preußen des Nahen Ostens. So nennen auch immer mehr Deutsche die Israelis – mit Anerkennung. Ich scheiß drauf! Die Preußen haben auch hervorragende kulturelle Leistungen zustande gebracht. Aber was geblieben ist, auch im Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit, ist das Säbelrasseln. Und jetzt wird uns das
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