Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
aufgepasst habe. Halte sie fern von Armand!“
„Das wird schwierig werden. Sie mögen sich. Außerdem ist Jenny abends oft bei mir, und ich weiß nie, wann Armand mich besucht.“
„Dann lass dir etwas einfallen.“
Ich wagte es, mich gegen Franklin zu stellen, weil ich gesehen hatte, wie glücklich Jenny der Besuch auf der Lichtung gemacht hatte. Im Moment tat ihr alles gut, was ihr Freude bereitete. „Jenny braucht jeden Freund, den sie haben kann, denn sie fühlt sich allein. Armand hat versprochen, sich zurückzuhalten. Aber warum sollte er sie meiden, wenn sie bei mir ist? Das würde ihr meines Erachtens nur schaden.“
„Das zu entscheiden liegt nicht bei dir.“
„Ach, und was ist mit deiner Aussage, ich könne gut mit Kindern umgehen? Mein Gefühl sagt mir, dass keiner der beiden Schaden nehmen wird durch diese Freundschaft.“
„Armand ganz sicher nicht!“
„Und Jenny auch nicht!“
Franklin ging um den Schreibtisch und nahm auf seinem Stuhl Platz. Er würdigte mich keines weiteren Blickes. „Ich will deine Ausarbeitung bis heute Abend auf meinem Tisch haben. Und Jenny wird abends nicht mehr zu dir kommen. Du kannst jetzt gehen.“
Ich kochte vor Wut. Doch gegen diese Anweisung konnte ich wenig vorbringen. Aufgewühlt zog ich mich mit Tee und Schreib-material in die blaue Bibliothek zurück. Allein auf meinem Zimmer, wäre ich die Wände hoch gegangen.
Die Dunklen
Spät in der folgenden Nacht hatte ich meinen Bericht schließlich endlich abgeschlossen. Müde rieb ich mir die Augen und gähnte herzhaft. Es wurde allmählich Zeit, zu Bett zu gehen. Aber Franklin hatte mich gebeten, ihm die Ausarbeitung heute noch zu bringen. Also packte ich meine Unterlagen zusammen und ging hinunter in sein Büro. Schon im Kaminzimmer konnte ich sehen, dass er noch auf war. Ein heller Lichtstrahl fiel durch den Spalt unter der Tür zu seinem Arbeitszimmer hindurch. Ich klopfte leise an und wartete respektvoll, bis er mich mit einem ‚Herein!‘ aufforderte einzutreten.
„Ich hatte schon nicht mehr damit gerechnet.“ Er sah müde aus, als er mich über den Rand seiner Lesebrille ansah. Doch an dem Tablett mit dampfendem Kaffee und einem Teller mit Sandwiches konnte ich sehen, dass er noch lange nicht vorhatte, sich schlafen zu legen. Manchmal fragte ich mich, ob er überhaupt jemals schlief.
„Du sagtest, du wolltest es noch heute haben.“
Er blickte auf die Uhr. „Genau genommen gestern. Es ist gleich zwei Uhr.“
Es war nur ein sehr verhaltener Tadel. Ich legte die Mappe in seine Hände und blieb schweigend und abwartend vor seinem Schreibtisch stehen. Was würde er davon halten?
Er entließ mich mit einem knappen Kopfnicken. Beim Hinausgehen sah ich aus den Augenwinkeln, wie er meine Arbeit auf einen Stapel legte und sich dann wieder über die beugte, die vor ihm lag. Offenbar hatte er nicht die Absicht, sich meine Ausarbeitungen noch heute Nacht anzusehen.
Im Mutterhaus war längst alles still. Fast jeder lag bereits in tiefem Schlaf. Die wenigen, die noch auf waren, saßen in den Bibliotheken, um zu lesen oder Unterlagen zu bearbeiten und zu archivieren. Einige wenige würden auf ihren Zimmern meditieren oder sich dort mit dem Studium der Grenzwissenschaften und Mysterien befassen. Leise knarrte die große Treppe, als ich nach oben inmeine Räume ging. Mir war immer ein wenig unheimlich zumute, wenn ich mitten in der Nacht, in nahezu völliger Dunkelheit durchs Mutterhaus ging. So auch diesmal, während ich die nur matt durch zwei große Kerzen am unteren und zwei weitere am oberen Ende der Treppe erleuchtete Vorhalle durchschritt. Die Bilder, die an den Wänden hingen, schienen in diesem flackernden Licht lebendig zu werden und die Energien, die unablässig durch die Mauern und Räume von Gorlem Manor flossen, verstärkten diesen Eindruck. Mein Herz klopfte schneller, als ich die Tür zu meinem Zimmer hinter mir schloss. Ich beeilte mich, unter die Decke zu schlüpfen. Erst dann wurde ich wieder ruhiger und fiel bald in einen tiefen Schlaf.
Franklin wartete, bis Melissa aus dem Zimmer war. Er nahm seine Brille von der Nase und rieb sich die brennenden Augen. Er musste ihren Berichte heute Nacht noch lesen. Er ertrug die Ungewissheit nicht länger, wie fest Armand sie schon an sich gebunden hatte. Besonders nach der Zeit, die sie allein mit ihm in Venedig und New Orleans verbracht hatte. Er schenkte sich eine weitere Tasse Kaffee ein und griff auch kurz nach einem Sandwich,
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