Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
stolz und erhaben. Ein kantiges, fast römisches Gesicht, in dem sich gerade jetzt völliges Unverständnis spiegelte. Sein Blick war nicht grausam, sondern von Bedauern erfüllt über das, was er nun tun musste.
„Ich wollte euch nicht töten. Aber ihr lasst mir keine Wahl.“
Der Druck um meine Kehle verstärkte sich, bis mir allmählich schwarz vor Augen wurde.
Wo war Armand?
Bunte Punkte tanzten in meinen Blickfeld. Aus den Augenwinkel glaubte ich zu sehen, wie der Ring an seiner Hand plötzlich lebendig wurde. Wie sich aus den mystischen Runen, die in dem Rund graviert waren, feine rötliche Nebelschleier lösten und sich zusätzlich um meinen Hals legen. Sich enger und enger zogen. Eine Halluzination? Es fühlte sich nicht so an. Ich röchelte nach Luft. Ein paar Sekunden noch, dann würde ich das Bewusstsein verlieren. Ich würde mein Leben aushauchen zwischen all den Eingeweiden dieses Prager Schlachthofs. Und das Letzte, woran ich dachte, war, dass ich mich mit Armand nicht mehr aussöhnen konnte.
Ein Ruck ging durch den Arm, der mir die Luft abdrückte, und plötzlich war ich wieder frei. Ich fiel auf die Knie, tat einen tiefen Atemzug, zwang Sauerstoff durch meinen gequetschten Kehlkopf und musste husten.
Ein Fauchen wie von einem gereizten Tiger, rechts neben mir, ließ mich wissen, dass der
Dunkle Vampir
noch immer da war. Das Grollen auf der anderen Seite gehörte zu Armand. Er war mir also doch gefolgt.
Die beiden standen sich gegenüber wie zwei Raubkatzen, die um dieselbe Beute kämpften. Sie umkreisten sich lauernd. Ihr Fauchen und Knurren hatte nichts Menschliches an sich. Der Gelbäugige versuchte immer wieder mit einer schnellen Bewegung zu mir zu kommen, doch Armand war jedes Mal sofort zur Stelle. In der Schnelligkeit ihrer Bewegungen standen sich die beiden in nichts nach. Meine Augen konnten dem Kampf kaum folgen. Armand schützte mich mit seinem Körper. Mit seiner Macht.
Eine blitzschnelle Bewegung in der Luft, und Blut tropfte aus einer langen Schnittwunde auf der Wange des Dunklen Vampirfürsten. Ebenso wie von Armands Fingernägeln. Sie waren mir nie so scharf erschienen. Doch sie glichen geschliffenem Glas in dem trüben Licht des Hinterhofes.
Langsam fuhr der Dunkle sich mit dem Handrücken übers Gesicht, um das Blut abzuwischen, das inzwischen an seinem Kinn herunterrann. Wieder sah ich rötlichen Rauch aus dem Runenring aufsteigen. Dünne Fäden, die über die frische Wunde leckten.
Was war das?
Die gelben Augen des Dämons sprühten Funken vor Zorn. Sein Umhang bauschte sich auf, wie eine bedrohlich schwarze Sturmwolke. Eine heftige Windböe heulte gespenstisch durch den Hof. Ihre Kraft drückte mich gegen die Wand und warf auch Armand um einige Schritte zurück.
Ein grimmiger Zug legte sich um dessen Lippen. „Du willst spielen? Alors, comme ca te chante! Spielen wir.“
Er streckte seine Arme nach oben, als wolle er etwas vom Himmel holen. Und nichts anderes schien er zu tun. Denn genau in dem Moment, in dem er seine Arme mit einem Ruck wieder nach unten zog, schoss ein greller gelber Blitz herab und schlug Millimeter neben dem Dunklen ein.
Ungläubig weiteten sich die Bernstein-Augen. Damit hatte der Dunkle Fürst offenbar nicht gerechnet. Ich auch nicht. Eine solche Macht überstieg mein Vorstellungsvermögen. Es war nicht eine Wolke am Himmel. Woher nahm Armand die Kraft der Naturgewalt? Ein weiterer Blitz folgte dem Befehl, den sein Arm in den Himmel schrieb. Diesmal erwischte er den Umhang des
Crawlers
. Hastig schlug dieser die Flammen nieder und funkelte Armand zornig an.
„Fiche-moi le camp!“, zischte der warnend. „Verschwinde! Sie ist mein.“
Fauchend stürzte der Gelbäugige sich in einem neuerlichen Angriff auf meinen Geliebten. Der Schrei blieb mir in der Kehle stecken. Doch die Attacke war nur Schein. Sein dunkles Cape streifte Armand, ohne ihn zu verletzen. Sekunden später waren wir allein. Die dunkle Präsenz war nicht mehr, als ein Hauch in den stinkenden Abfällen dieses Hinterhofes.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte Armand und kniete neben mir nieder.
Ich nickte heftig und bemühte mich noch immer, meine Lungen wieder mit Sauerstoff zu füllen. „Sagtest du nicht, diese
Dunklen
wären feige, schwache Kreaturen? Ich will ja nicht kleinlich sein, aber feige und schwach erschien mir der Typ nicht gerade.“
Er blickte grollend in die Richtung, in die der Feind verschwunden war. „Sein Blut verströmt dieselbe Aura. Nur viel stärker.
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