Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
Melissa! Vertrau ihm!“
Also gut, Osira, aber wenn ich mir beim Sturz nach unten den Hals breche, bringe ich dich um, dachte ich. Ich holte tief Luft und konzentrierte mich auf mein Krafttier. Das gab mir Mut. Schließlich fing ich sogar an, den Flug zu genießen. Es war berauschend, frei wie ein Vogel durch die Luft zu schweben, Armands starke Arme um mich zu spüren und mir seiner Nähe ganz bewusst zu sein. Er fühlte sich warm und menschlich an, obwohl ich wusste, dass er alles andere als menschlich war. Die unglaubliche Kraft, die er ausstrahlte, verstärkte mein Bewusstsein darüber. Ich blickte ihn an und er lächelte. Nicht diabolisch diesmal, sondern voller Wärme und Zuneigung.
Er flog so schnell dahin, dass das Land unter mir zu einem immer gleich bleibenden Bild verschwamm. Der einzige Unterschied war der zwischen dem Land und dem Wasser, als wir über den Ozean flogen. Wir reisten in der ‚Darkzone’, wie Armand es nannte. Bis er sich schließlich, irgendwo in Südamerika, wieder mit mir zur Erde sinken ließ. Sein Blick war fragend und tief. Ich würde zum ersten Mal die Möglichkeit bekommen, ihm bei der Jagd zuzusehen. Er war sich nicht sicher, ob ich wirklich dazu bereit war.Vierundzwanzig Stunden zuvor hätte ich es noch voller Abscheu abgelehnt, aber jetzt floss sein Blut frisch und heiß durch meine Adern, sodass ich selbst ein starkes Verlangen empfand. Es kam dem Rausch sehr nahe, den ein Vampir empfinden musste, wenn er eins wurde mit seinem Opfer. Ich erschrak über mich selbst, und doch wieder nicht. Ich wusste, ich könnte damit leben. Ich wusste, ich musste bei Armand bleiben. Ich brauchte ihn. Also folgte ich ihm, bis er ein geeignetes Opfer gefunden hatte, verbarg mich dann in der Dunkelheit und wurde Teil dessen, was Armands Leben Nacht für Nacht ausmachte.
Er nahm Rücksicht auf mich: Er tötete diesmal schnell, ohne mit seinem Opfer zu spielen und es zu umgarnen. Er hatte einen Jungen ausgewählt, vielleicht achtzehn. Jedenfalls kaum älter. In Bluejeans und Lederjacke. Darunter nackte Haut. Er sah gut aus. Ich wusste, er gefiel Armand. Wäre ich nicht dabei gewesen, hätte er ihn verführt. Hätte diese glatte, bronzene Haut mit Zärtlichkeiten und Küssen in Flammen gesetzt und seinen Gespielen im Augenblick der größten Leidenschaft getötet. So fing er ihn einfach ein, mit seinem Blick, dem auch ich niemals widerstehen konnte, ebenso wenig wie Franklin. Göttin, wenn er wollte, könnte er uns alle töten und wir wären völlig wehrlos. Vermutlich würden wir es sogar genießen, in seinen Armen zu sterben. Ob er das wusste? Natürlich wusste er das. Selbst dieser Junge, für den Armand ein Fremder war, hatte keine Angst. Er folgte ihm, fort von den Lichtern. Hinüber in die tarnenden Schatten. Ließ sich von ihm berühren, lächelte, als Armand ihm ein Kompliment machte. Ich stand im Schutz einer kleinen Baumgruppe, kaum zehn Schritte entfernt und beobachtete die beiden. Ihre Stimmen waren ein leises, intimes Flüstern. Spanische Worte, die der Wind zu mir herüberwehte. Der Junge schloss die Augen, als Armand ihn küsste. Zaghaft zunächst, doch als der Junge reagierte und den Kuss erwiderte, wurde auch Armand leidenschaftlicher. Ich sah, wie seine Zunge in den Mund des anderen glitt, wie sie mit seiner Zunge spielte, ihn neckte und koste. Seine Lippen glitten am Hals des Latinos hinab und der stöhnte auf, presste sich fester an seinen Mörder. Armands Fangzähne blitzten im Mondlicht, dann durchlief ein Schauer den Körper des Opfers. Aufgewühlt und erregt beobachtete ich, wie Armand trank und vibrierte förmlich vor Unruhe. Es hatte etwas unleugbar Sinnliches und Erotisches, zuzusehen, wie er eins wurde mit seiner Beute. Er nahm die Seele des Sterbenden in sich auf, seine Gedanken, sein Wissen, seine Träume.
Der Junge erschlaffte in Armands Umarmung. O süßer Tod, dachte ich und fuhr mit der Zunge über meine Lippen. Armand brachte den Jungen fort. Keine Spuren hinterlassen. Als er wieder zu mir kam, konnte ich meine Aufregung kaum bezähmen. Diesmal war er es, der mir nicht widerstand. Er ließ mich teilhaben an dem Rausch des Todes, ließ mich trinken von dem frischen Blut, das schon nicht mehr das des Jungen war, sondern voll und ganz mit dem Wesen des Vampirs durchtränkt. Es erfüllte mich, verführte mich. Ich spürte, wie es sich in meinem Körper ausbreitete. Meine Brüste fingen an zu prickeln, ganz so, als sauge Armand zärtlich an ihnen. Und zwischen
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