Rune der Knechtschaft
statt. Ehari Lionor, wollt Ihr beginnen? Ihr werdet die erste Geschichte erzählen, sobald E-Fîr am Horizont aufsteigt.«
»Aber …«, protestierte Lionor. »Geistige Verbindung, ich? Ich bin nur … nur eine Freundin …«
»Ihr seid alle drei hier empfangen worden«, sagte der Verbannte und deutete dann auf Marikani. »Nicht allein sie. Die Verbindung zwischen dem Joar und den Verbannten steht unter dem Schutz des Arrethas, wusstet Ihr das, Prinzessin?«
Marikani nickte. Arrethas, der Gott der Zeit und des Schicksals, war der Gott, der auch Harabec beschirmte - Marikanis direkter Vorfahr durch eine lange Linie von Helden mit dunklem Blut.
»Alle, die unsere Gemeinschaft aufsuchen, sind von
Arrethas gesandt - alle, ohne Ausnahme. Wenn das Schicksal Euch alle drei zusammengeführt hat, glaubt Ihr da nicht, dass es seine Gründe hat?«
Kurzes Schweigen folgte seiner Erläuterung.
»Raucht«, schloss der Herr der Verbannten. Er deutete auf die rothaarige Frau. »Gut. Lahara wird die erste Geschichte erzählen, und danach werden wir die Euren hören.«
Arekh zündete sich unsicher die Pfeife an einer Laterne an. Sollten sie Einzelheiten über ihre Vergangenheit erzählen? Das kommt nicht in Frage , dachte er, während sie in der kalten Nachtluft rauchten. Selbst ihre Droge würde ihn nicht dazu bringen, das zu tun.
Die Dünste des Krauts stiegen als Rauch über ihnen auf wie irisierende Wellen. Der Geruch war streng, die Wirkung sonderbar. Arekh verlor jegliches Zeitgefühl.
Er hatte manchmal den Eindruck, dass er allein inmitten des Kreises stand, obwohl er sich nicht gerührt hatte. Alles bekam eine Bedeutung, einen Sinn, und wie bei den Sternen, in denen die Zauberer die Runen lasen, erschien es ihm, als ob jedes Ding auf der Welt sich mit einem anderen verband, um ein Alphabet zu bilden, mit dem er den Sinn aller Dinge hätte entschlüsseln können, wenn er nur in der Lage gewesen wäre, es zu lesen.
Die Monde zogen ihre Bahn über den Himmel, und der Herr der Verbannten wandte sich der rothaarigen Frau zu.
Diese schloss die Augen. »In einer Stadt unter dem Meer lebte das Volk der Saryger.«
Eine Laterne flackerte im Wind. Die Frau legte eine kleine Pause ein und fuhr dann fort: »Die Delfine waren ihre Brüder und Freunde. Inspiriert von ihren Gesängen und unterstützt und aufrecht gehalten von ihrer Kraft gründeten die Saryger eine Stadt mit hohen, aus Stein
gehauenen Säulen, die bis in die kleinsten Einzelheiten ungeheuer verschnörkelt waren.
Eines Tages nahm ein Delfin, der auf ihre Begabung eifersüchtig war, die Gestalt eines Sarygers an und wollte selbst einen unberührten Felsen behauen. Die Schönheit seiner Skulpturen war ohnegleichen, aber als die Delfine in großer Zahl angeschwommen kamen, um sie zu bewundern, rief ihre Ankunft eine solch starke Strömung hervor, dass sie erst den Tempel und dann die gesamte Stadt erzittern ließ. Eine nach der anderen brachen die Säulen zusammen, zerquetschten die Saryger unter ihrem Gewicht und zerstörten die ganze Stadt, die nie wieder aufgebaut wurde.
So verschwand das Werk ganzer Generationen. So kam das Volk der Saryger um, während die Delfine, die aus ihrer Erfahrung gelernt hatten, in ferne Gewässer schwammen, um neue Gesänge zu erschaffen, von denen uns noch keine Kunde erreicht hat.«
Der Herr der Verbannten nickte. »Das also gibt dir die Verbindung des Geistes heute ein, Lahara? Dies ist die Geschichte, die für dich der Begegnung des heutigen Abends entspringt?«, fragte er, indem er auf die drei Reisenden wies. Die rothaarige Frau neigte den Kopf, und er fuhr fort: »Interessant … Ich frage mich, was wohl ein Seher dazu sagen würde. Ehari Lionor, Ihr seid an der Reihe. Wollt Ihr uns Eure Geschichte erzählen?«
Lionor schüttelte ungläubig den Kopf. »Das ist alles?«, fragte sie. »Die Stadt bricht zusammen und … das war’s?«
»Dort endet ihr Teil der Geschichte«, erklärte der Verbannte. »Wollt Ihr uns erzählen, was die Vereinigung Euch eingibt? Ihr müsst nur die Augen schließen und die Worte strömen lassen. Es sei denn, die Prinzessin von Harabec möchte gern beginnen? Eure Freundin scheint noch nicht bereit zu sein.«
Marikani holte tief Atem. Ein kurzes Schweigen folgte. Es war offensichtlich, dass sie nicht wusste, was sie sagen oder wo sie beginnen sollte.
»Schließt die Augen«, wiederholte der Herr des Geistes.
Marikani schloss langsam die Lider. Dann begann sie ihre Geschichte.
KAPITEL 7
»In
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