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Russka

Russka

Titel: Russka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Anna besuchte eine Freundin in der Nähe von Vladimir. Bobrov bat Suvorin sogleich in den Salon, wo der alte Mann den angebotenen Stuhl ablehnte, und so blieb auch der Landbesitzer unschlüssig stehen. Suvorin kam sofort zum Thema. »Ihr Sohn ist ein Revolutionär«, sagte er rundheraus. Als Mischa einwandte, sein Sohn fühle sich unpäßlich, unterbrach Sawa ihn: »Ich fand dies in meiner Fabrik. Es kommt von Ihrem Sohn und seinem Freund.« Er reichte dem Landbesitzer das Flugblatt.
    Bobrov las und wurde blaß. Vor sich sah er genau die Phrasen, die sein Sohn in seinen Reden verwendet hatte, allerdings mit einem Unterschied: Hier riefen sie nach Gewalt. Sawa töten? Sein Haus niederbrennen? »O mein Gott! Ich hatte ja keine Ahnung. Was werden Sie unternehmen?« fragte Mischa hilflos. Da kehrte Sawa Suvorin seine Machtposition heraus. Er war zweiundachtzig. Zweiundfünfzig Jahre lang hatte er gekämpft, um von der Tyrannei der Bobrovs freizukommen, und dreißig weitere Jahre hatte er Groll gegen sie gehegt. Nun endlich konnte er sie zur Strecke bringen. Aber das würde er nicht tun. Noch nicht. Obwohl er sie haßte und verachtete, brachte ihm ihr Ruin nichts ein. Ein Suvorin rächt sich nicht an kleinen Leuten, dachte er stolz. Er nützt sie aus.
    »Erst einmal werden Sie diesem Popov sagen, daß er in Ihrem Haus zu bleiben hat, mit niemandem Verbindung aufnehmen darf und in der Morgendämmerung Russka ein für allemal verlassen muß.«
    Mischa nickte kläglich.
    »Sie werden auch mit Timofej Romanov sprechen. Seine Tochter ist immer mit diesem Grigorij zusammen, den ich bei der Verteilung der Flugblätter erwischt habe. Sie können deshalb sicher sein, daß sie auch mit in der Sache steckt. Wir werden also Ihren Freund Romanov davon in Kenntnis setzen, daß er seine Tochter bis auf weiteres im Haus festzuhalten hat. Sie soll den Grund dafür nicht erfahren, außerdem keine Verbindung zu Grigorij haben. Ich werde ihn ein paar Tage beobachten lassen, um herauszufinden, was da noch im Gange ist. Dann werde ich mich mit ihm beschäftigen.« Er blickte kühl auf Mischa herab. Mit Genugtuung stellte er fest, daß sie die Rollen getauscht hatten: Er war der Herr, ein Bobrov war der Diener. »Falls einer von euch diese Anweisung mißachtet, werde ich die ganze Angelegenheit der Polizei übergeben, die gewiß den Beweis für eine Verschwörung erbringen wird, an der Ihr Sohn, Popov und die Romanovs beteiligt sind«, schloß Sawa. »Sie werden alle nach Sibirien geschickt, oder noch Schlimmeres wird mit ihnen geschehen.« Damit wandte er dem vor Angst bebenden Landbesitzer den Rücken zu und ging.
    Timofej Romanov hatte sich noch nicht entschieden, ob man Mischa Bobrov um Geld angehen solle. Er war deshalb überrascht, als er um Mittag dringend ins Herrenhaus gerufen wurde. »Ich gehe mit dir«, erklärte Boris.
    Sie fanden Mischa eingeschüchtert und nachdenklich vor. Er hatte eine halbe Stunde am Krankenbett seines Sohnes verbracht. Mischa war zwar nicht ganz sicher, aber anscheinend wußte Nikolaj wirklich nichts über die neuerlichen Aktivitäten Popovs in Russka. Immerhin gab er zu, über die Druckerpresse des Freundes Bescheid zu wissen. Das genügt, ihn nach Sibirien zu schicken, dachte Mischa.
    Bei den beiden Romanovs ging Mischa achtsam vor. »Sage mir, Timofej«, fragte er, »ist deine Tochter befreundet mit einem Jungen namens Grigorij?«
    »Ach, Michail Alexejevitsch«, rief dieser, »wäre sie es nur nicht!«
    »Dies hier hat Grigorij verteilt.« Mischa las dem Bauern, der des Lesens und Schreibens unkundig war, ein paar Abschnitte aus dem Flugblatt vor. Zuerst sah Timofej verwirrt, dann erschrocken drein, und schließlich wurde er weiß wie die Wand. Bobrov gab Suvorins Anweisungen an die Romanovs weiter. Wenn er auch keine direkte Anspielung auf die Rolle seines eigenen Sohnes in dieser Verschwörung machte, ließ er sie doch wissen, daß die Person, die hinter alldem stand, Popov war. »Es sieht so aus, als habe er meine Gastfreundschaft mißbraucht und uns alle getäuscht. Er reist in der Morgendämmerung auf Nimmerwiedersehen ab.« Dann fuhr er mit einem Blick auf Boris fort: »Du bist doch damit einverstanden, daß wir hinsichtlich Natalias genau das tun werden, was Suvorin verlangt?« Boris stimmte uneingeschränkt zu. In diesem Augenblick betrat Jevgenij Popov das Zimmer. Er wirkte fröhlich.
    Dabei war es ein unruhiger Tag für ihn gewesen. Er hatte am Morgen einen Brief erhalten, der ihm, wenn auch

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