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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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Hand hat sie einen Notizblock. Sie gehen bis zum Gouverneurspalast und grüßen.)
    DER GOUVERNEUR
    Was wollt ihr von mir, Fremde?
    DER MANN (in höflichem Ton)
    Ihren Platz.
    ALLE
    Was? Was sagt er?
    DER GOUVERNEUR
    Sie haben den Moment schlecht gewählt, und Ihre Unverschämtheit könnte Sie teuer zu stehen kommen. Wir haben wohl nicht recht verstanden. Wer sind Sie?
    DER MANN
    Das erraten Sie nie!
    DER BÜRGERMEISTER
    Ich weiß nicht, wer Sie sind, Fremder, aber ich weiß, wo Sie gleich landen!
    DER MANN (sehr ruhig)
    Beeindruckend. Was meinen Sie, meine Liebe. Muss ich verraten, wer ich bin?
    DIE SEKRETÄRIN
    Normalerweise tun wir das nicht so leicht.
    DER MANN
    Es scheint diesen Herren enorm wichtig zu sein.
    DIE SEKRETÄRIN
    Sie werden ihre Gründe haben. Nun gut, wir sind hier zu Besuch und sollten uns den örtlichen Gepflogenheiten anpassen.
    DER MANN
    Ich verstehe. Aber könnte das nicht ein wenig Unruhe in diese braven Geister bringen?
    DIE SEKRETÄRIN
    Besser Unruhe als Unhöflichkeit.
    DER MANN
    Überzeugend. Trotzdem habe ich gewisse Skrupel …
    DIE SEKRETÄRIN
    Entweder – oder …
    DER MANN
    Nämlich?
    DIE SEKRETÄRIN
    Entweder Sie sagen es oder eben nicht. Wenn Sie es sagen, ist es bekannt. Sagen Sie es nicht, kommt es ohnehin heraus.
    DER MANN
    Einleuchtend.
    DER GOUVERNEUR
    Das reicht jetzt! Bevor ich geeignete Maßnahmen ergreife, fordere ich Sie letztmals auf, mir zu sagen, wer Sie sind und was Sie wollen.
    DER MANN (immer noch völlig gelassen)
    Ich bin die Pest. Und Sie?
    DER GOUVERNEUR
    Die Pest?
    DER MANN
    Ja, und ich brauche Ihren Platz. Glauben Sie mir, es tut mir wirklich leid, aber ich werde viel zu tun haben. Wenn ich Ihnen etwas Zeit lasse, sagen wir zwei Stunden, würde das genügen, um mir das Amt zu übergeben?
    DER GOUVERNEUR
    Das geht zu weit, für diese Unverschämtheit werden Sie bestraft. Wachen!
    DER MANN
    Warten Sie! Ich will keine Gewalt anwenden. Mein Prinzip ist stets Korrektheit. Es ist begreiflich, dass mein Auftreten Sie erstaunt, schließlich kennen Sie mich nicht. Aber es wäre mir wirklich am liebsten, Sie würden mir Ihren Platz überlassen, ohne dass ich Beweise erbringen muss. Können Sie meinen Worten nicht einfach Glauben schenken?
    DER GOUVERNEUR
    Ich habe keine Zeit zu verlieren, und dieser Unfug dauert schon zu lange. Nehmt ihn fest!
    DER MANN
    Dann geht es nicht anders. Wie ärgerlich. Meine Liebe, nehmen Sie bitte eine Streichung vor?
    (Er deutet auf eine der Wachen. Die SEKRETÄRIN streicht ostentativ etwas auf ihrem Block durch. Der dumpfe Schlag ertönt. Die WACHE fällt zu Boden. Die SEKRETÄRIN untersucht den Körper.)
    DIE SEKRETÄRIN
    Alles in Ordnung, Euer Ehren. Die drei Male sind da. (Zu den anderen, liebenswürdig) Ein Mal, und Sie sind verdächtig. Zwei Male, Sie sind infiziert. Drei, und die Streichung ist ausgeführt. Nichts einfacher als das.
    DER MANN
    Ach, ich habe ganz vergessen, Ihnen meine Sekretärin vorzustellen. Übrigens kennen Sie sie. Aber man begegnet so vielen Leuten …
    DIE SEKRETÄRIN
    Das ist entschuldbar! Am Ende erkennt man mich immer.
    DER MANN
    Ein glückliches Wesen, sehen Sie! Fröhlich, zufrieden, immer adrett …
    DIE SEKRETÄRIN
    Das ist nicht mein Verdienst. Mit einem Lächeln und mit frischen Blumen fällt die Arbeit einfach leichter.
    DER MANN
    Ein ausgezeichnetes Prinzip. Aber zurück zu unseren Schäfchen! (Zum GOUVERNEUR ) Hat das genügt, um Sie zu überzeugen, dass ich es ernst meine? Sie sagen nichts? Ich habe Ihnen Angst eingejagt, natürlich. Aber ganz gegen meinen Willen, das können Sie mir glauben. Mir wäre eine gütliche Lösung lieber gewesen, eine auf gegenseitigem Vertrauen basierende Übereinkunft, Wort gegen Wort, eine Vereinbarung unter Ehrenmännern. Aber dafür ist es ja noch nicht zu spät. Scheint Ihnen eine Frist von zwei Stunden ausreichend? (Der GOUVERNEUR verneint mit einem Kopfschütteln. Der Mann, zur SEKRETÄRIN ) Das ist sehr unangenehm!
    DIE SEKRETÄRIN (kopfschüttelnd)
    Er ist verstockt. Wie misslich!
    DER MANN (zum GOUVERNEUR )
    Mir ist Ihr Einverständnis aber wichtig. Ich möchte nichts ohne Ihre Zustimmung tun, das wäre gegen meine Prinzipien. Meine Mitarbeiterin wird also so viele Streichungen vornehmen, wie nötig sind, um Ihre freiwillige Zustimmung zu der kleinen von mir vorgeschlagenen Reform zu erhalten. Sind Sie bereit, meine Liebe?
    DIE SEKRETÄRIN
    Moment, mein Bleistift ist abgebrochen, lassen Sie mich ihn rasch anspitzen, dann steht alles zum Besten in der

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