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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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besten aller Welten! [Anm. d. Ü.: Die «beste aller Welten» ist eine Anspielung auf Voltaire, Candide ]
    DER MANN (seufzt)
    Ohne Ihren Optimismus wäre dieses Geschäft kaum auszuhalten!
    DIE SEKRETÄRIN (spitzt den Bleistift an)
    Die perfekte Sekretärin weiß, dass sich immer alles regeln lässt, dass jeder Fehler in der Buchhaltung sich beheben und jeder verpasste Termin sich nachholen lässt. Jedes Malheur hat auch sein Gutes. Sogar der Krieg hat seine Vorzüge, selbst Friedhöfe können ein gutes Geschäft sein, wenn die Gräber alle zehn Jahre gekündigt werden.
    DER MANN
    Goldene Worte … Ist der Bleistift jetzt spitz?
    DIE SEKRETÄRIN
    Jawohl, wir können beginnen.
    DER MANN
    Dann los! (Er deutet auf NADA , der vorgetreten ist, aber in sein lautes Alkoholikerlachen ausbricht.)
    DIE SEKRETÄRIN
    Darf ich darauf hinweisen, dass er einer von denen ist, die an nichts glauben und uns von großem Nutzen sein können?
    DER MANN
    Sehr richtig. Also einen Stadtrat.
    (Panik unter den Stadträten.)
    DER GOUVERNEUR
    Aufhören!
    DIE SEKRETÄRIN
    Ein gutes Zeichen, Euer Gnaden!
    DER MANN (liebenswürdig)
    Was kann ich für Sie tun, Gouverneur?
    DER GOUVERNEUR
    Wenn ich Ihnen meinen Platz überlasse, bleiben dann meine Familie und die Stadträte verschont?
    DER MANN
    Aber natürlich, ich bitte Sie, das ist so üblich!
    DER GOUVERNEUR (bespricht sich mit den Stadträten, wendet sich dann zum Volk)
    Bürger von Cádiz, ich bin sicher, ihr versteht, dass jetzt alles anders ist? Es könnte in eurem eigenen Interesse sein, dass ich die Stadt der neuen Macht überlasse, die jetzt erschienen ist. Die Vereinbarung, die ich mit ihr schließe, verhindert gewiss das Schlimmste, und so könnt ihr darauf vertrauen, außerhalb der Stadt eine Regierung zu haben, die euch eines Tages nützlich sein kann. Ich brauche euch nicht zu sagen, dass ich sozusagen nicht aus Rücksicht auf meine eigene Sicherheit handele, sondern …
    DER MANN
    Entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Ich wäre froh, wenn Sie öffentlich erklären, dass Sie diesen sinnvollen Vorkehrungen voll und ganz zustimmen und es sich jedenfalls um eine freiwillige Vereinbarung handelt.
    DER GOUVERNEUR (blickt in ihre Richtung. Die SEKRETÄRIN hält sich den Bleistift vor die Lippen.)
    Selbstverständlich schließe ich diese Vereinbarung freiwillig ab.
    (Er stottert, weicht zurück und läuft weg. Der Exodus beginnt.)
    DER MANN (zum BÜRGERMEISTER )
    Bitte gehen Sie nicht so schnell! Ich brauche einen Mann, der das Vertrauen des Volks besitzt und durch den ich meine Anordnungen bekanntmachen kann. (Der BÜRGERMEISTER zögert.) Natürlich akzeptieren Sie. (Zur SEKRETÄRIN ) Meine Liebe …
    DER BÜRGERMEISTER
    Aber natürlich, es ist mir eine Ehre.
    DER MANN
    Ausgezeichnet. Dann können Sie, liebe Freundin, dem Bürgermeister jetzt die Erlässe übergeben, durch welche diese braven Leute erfahren, wie sie vorschriftsmäßig zu leben haben.
    DIE SEKRETÄRIN
    Folgender Erlass wurde vom Bürgermeister und von den Stadträten beraten und beschlossen …
    DER BÜRGERMEISTER
    Ich habe noch nichts beraten …
    DIE SEKRETÄRIN
    Diese Mühe ersparen wir Ihnen. Und ich finde, Sie dürfen sich geschmeichelt fühlen, dass unsere Dienststellen sich die Arbeit machen, diese Texte abzufassen, die zu unterzeichnen Sie jetzt die Ehre haben.
    DER BÜRGERMEISTER
    Schon, aber …
    DIE SEKRETÄRIN
    Folgender Erlass also als offizielle Verlautbarung in voller Übereinstimmung mit dem Willen unseres geliebten Herrschers behufs Regelung und mildtätiger Unterstützung der von der Ansteckung betroffenen Bürger sowie behufs Mitteilung sämtlicher Regeln an alle befugten Personen wie Aufseher, Wachen, Scharfrichter und Totengräber, die zu beeiden haben, dass sie die erteilten Befehle strikt befolgen werden …
    DER BÜRGERMEISTER
    Um Himmels willen, was ist das für eine Sprache?
    DIE SEKRETÄRIN
    So gewöhnen wir sie gleich an ein wenig Obskurität. Je weniger sie verstehen, desto besser funktionieren sie. Hier sind die Bekanntmachungen, die Sie in der Stadt ausrufen lassen, schön eine nach der anderen, damit sie leichter verdaut werden, auch von schlichten Gemütern. Hier sind unsere Boten. Ihre liebenswürdigen Gesichter werden dazu beitragen, dass sich die Worte einprägen.
    (Die BOTEN treten vor.)
    DAS VOLK
    Der Gouverneur geht, der Gouverneur geht!
    NADA
    Das ist sein gutes Recht, Volk, sein gutes Recht. Er ist der Staat, und der Staat braucht Schutz.
    DAS VOLK
    Er ist der Staat,

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