Saemtliche Dramen
ausgestreckten Arm. Ein Mann entreißt es ihr. Gespielt empört) Geben Sie mir sofort das Notizbuch wieder! Es ist kostbar, das wissen Sie genau, und wenn Sie den Namen eines Ihrer Mitbürger streichen, muss er auf der Stelle sterben.
MÄNNER UND FRAUEN (umringen den Mann mit dem Notizbuch. Erregtes Durcheinander.)
Wir haben es!
Keine Toten mehr!
Wir sind gerettet!
(Aber die TOCHTER DES RICHTER s taucht auf und schnappt sich das Buch, läuft in eine Ecke, blättert rasch darin und streicht etwas durch. Ein lauter Schrei und ein fallender Körper im Haus des Richters. Männer und Frauen stürzen zu dem Mädchen.)
EINE STIMME
Mörderin! Dich müsste man beseitigen!
(Eine Hand entreißt ihr das Büchlein, alle blättern, finden ihren Namen, jemand streicht ihn. Sie fällt ohne einen Laut.)
NADA (schreit)
Auf geht’s, alle zusammen sorgen für die Beseitigung! Jetzt wird nicht mehr beseitigt, sondern man beseitigt selbst! Hand in Hand vereint, Unterdrückte und Unterdrücker! Los! Auf sie mit Gebrüll! Die allgemeine Säuberung! (Er geht.)
EIN MANN (groß gewachsen, hält das Notizbuch)
Ja, ein paar Säuberungen sind fällig! Das ist doch eine gute Gelegenheit, um ein paar Hurensöhne zu beseitigen, die sich ein gutes Leben gemacht haben, während wir vor Hunger krepierten!
(Die zurückgekommene PEST bricht in enormes Gelächter aus, während die SEKRETÄRIN bescheiden an ihren Platz neben der PEST zurückkehrt. Mit erhobenen Augen warten alle reglos auf dem Platz, während die WACHEN der PEST ausschwärmen und überall die Bauten herrichten und wieder Zeichen anbringen.)
DIE PEST (zu DIEGO )
So, bitte! Jetzt erledigen sie die Arbeit selbst! Findest du, sie sind deine Mühe wert?
(Aber DIEGO und der FISCHER springen auf die erhöhte Bühne, schlagen den Mann mit dem Heft und werfen ihn zu Boden; DIEGO nimmt das Heft und zerreißt es.)
DIE SEKRETÄRIN
Zwecklos. Ich habe ein Doppel.
( DIEGO treibt die Männer auf die andere Seite.)
DIEGO
Rasch, an die Arbeit. Ihr seid betrogen worden!
DIE PEST
Angst haben sie um sich selbst, aber ihr Hass gilt den anderen.
DIEGO (wieder vor der PEST )
Weder Angst noch Hass, das ist unser Sieg!
(Nach und nach weichen die WACHEN vor DIEGO s Männern zurück.)
DIE PEST
Ruhe! Ich bin derjenige, der den Wein sauer werden und die Früchte vertrocknen lässt. Ich lasse die Rebe verdorren, die Trauben tragen will, ich spende ihr Saft, wenn sie als Feuerholz dienen soll. Eure einfachen Freuden sind mir zuwider, genau wie diese Länder, in denen man frei sein will, ohne reich zu sein. Ich habe die Gefängnisse, die Henker, die Macht, das Blut! Die Stadt wird dem Erdboden gleichgemacht, und auf ihren Trümmern krepiert endlich die Geschichte in der schönen Stille der perfekten Gesellschaften. Also Ruhe, oder ich zerstöre alles.
(Pantomimischer Kampf mit schrecklichem Getöse, Quietschen der Garotte, Sirenen, Schläge der Streichungen, Flut der Schlagworte. Doch je mehr sich der Kampf zugunsten von DIEGO s Männern wendet, desto mehr legt sich der Tumult, und der wenn auch undeutlich bleibende Chor übertönt die Stimme der PEST . Diese, mit wütender Geste:)
Wir haben Geiseln!
(Auf seinen Wink verlassen die WACHEN die Bühne, während die anderen sich neu aufstellen.)
NADA (oben im Palast)
Wir haben immer noch etwas! Alles geht weiter, ohne weiterzugehen. Und meine Büros machen auch weiter. Selbst wenn die Stadt zusammenstürzt, der Himmel explodiert und die Leute von der Erde fliehen, die Büros würden zur üblichen Zeit öffnen, um das Nichts zu verwalten! Ich bin die Ewigkeit, mein Paradies besteht aus Archiven und Stempelkissen. (Geht.)
DER CHOR
Sie fliehen. Der Sommer geht siegreich zu Ende. So triumphiert der Mensch! Und der Sieg hat die Gestalt unserer Frauen im Regen der Liebe. Da ist das glückliche, glänzende und warme Fleisch, und die Septembertrauben, auf denen die Wespe summt. Die Rebenernte ergießt sich auf die Tenne des Leibes. Die Weinlese flammt auf den trunkenen Brüsten. O meine Liebe, das Begehren platzt auf wie eine reife Frucht, endlich fließt die Herrlichkeit der Körper über. Von allen Enden des Himmels reichen geheimnisvolle Hände ihre Blumen herein, und gelber Wein strömt aus unerschöpflichen Brunnen. Das sind die Siegesfeiern, lasst uns unsere Frauen holen!
(Schweigen. Eine Trage wird hereingebracht, auf ihr liegt VICTORIA .)
DIEGO (stürzt zu ihr)
Oh! Da will man töten oder sterben! (Er erreicht den leblosen Körper.) Ah!
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