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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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enthusiasmierten. Aber diese Befreiungsverse werden noch oft deklamiert und gesungen in jenen gemütlichen Kränzchen, wo man sich des Winters wärmt an dem unschuldigen Strohfeuer, das in diesen patriotischen Liedern knistert, und wie der greise Schimmel des großen Friedrichs wieder jugendlich sich bäumte und das ganze Manöver machte, wenn er eine Trompete hörte, so steigt das Hochgefühl mancher Berlinerin, wenn sie ein Körnersches Lied hört; sie legt die Hand graziöse auf den Busen, quietscht einen bodenlosen Wonneseufzer, erhebt sich mutig wie Johanna von Montfaucon und spricht: »Ich bin eine deutsche Jungfrau.«
    Ich merke, mein Lieber, Sie sehen mich etwas sauer an wegen des bittern, spottenden Tones, womit ich zuweilen von Dingen spreche, die andern Leuten teuer sind und teuer sein sollen. Ich kann aber nicht anders. Meine Seele glüht zu sehr für die wahre Freiheit, als daß mich nicht der Unmut ergreifen sollte, wenn ich unsere winzigen, breitschwatzenden Freiheitshelden in ihrer aschgrauen Armseligkeit betrachte; in meiner Seele lebt zu sehr Liebe für Deutschland und Verehrung deutscher Herrlichkeit, als daß ich einstimmen könnte in das unsinnige Gewäsche jener Pfenningsmenschen, die mit dem Deutschtume kokettieren; und zu mancher Zeit regt sich in mir fast krampfhaft das Gelüste, mit kühner Hand der alten Lüge den Heiligenschein vom Kopfe zu reißen und den Löwen selbst an der Haut zu zerren – weil ich einen Esel darunter vermute.
    Vom Schauspiel will ich Ihnen auch diesmal wenig schreiben. Der Komiker Walter hat hier einigen Beifall gehabt; was mich betrifft, so kann ich seinen Humor nicht goutieren. Dagegen hat mich Lebrun aus Hamburg, der hier vor kurzem einige Gastrollen gab, wahrhaft entzückt. Er ist einer unserer besten deutschen Komiker, unübertrefflich in jovialen Rollen, und verdient ganz jenen Beifall, den ihm hier alle Kenner zollten. Karl August Lebrun ist ganz wie zum Schauspieler geboren, die Natur hat ihn mit allen Talenten, die zu diesem Stande gehören, in vollem Maße ausgerüstet, und die Kunst hat dieselben ausgebildet. Aber was soll ich von der Neumann sagen, die alle Berliner bezaubert und sogar die Rezensenten? Was nicht alles ein schönes Gesicht tut! Es ist ein Glück, daß ich kurzsichtig bin, sonst hätte diese Circe mich ebenso in ein graues Tierlein verwandelt wie einen meiner Freunde. Dieser Unglückliche hat jetzt so lange Ohren, daß das eine in der »Vossischen Zeitung« und das andre in der »Haude- und Spenerschen« zum Vorschein kömmt. Einige Jünglinge hat diese Dame schon toll gemacht; einer derselben ist schon wasserscheu und macht keine Verse mehr. Jeder fühlt sich glücklich, wenn er der schönen Frau näherkommen kann. Ein Gymnasiast hat sich in dieselbe platonisch verliebt und hat ihr eine kalligraphische Probe seiner Handschrift zugeschickt. Ihr Mann ist auch Schauspieler und glänzte wie Glanzleinen in »Kabiljau und Hiebe«. Die gute Frau muß gewiß vom vielen Zuspruch ihrer Bewunderer belästigt werden. Man erzählt, ein kranker Mann, der neben ihr wohnt, habe keine Ruhe gehabt vor all den Menschen, die jeden Augenblick sein Zimmer aufrissen und fragten: »Wohnt hier Madame Neumann?«, und er habe endlich auf seine Türe schreiben lassen: »Hier wohnt Madame Neumann
nicht.
«
    Man hat sogar die schöne Frau in Eisen gegossen und verkauft kleine eiserne Medaillen, worauf ihr Bildnis geprägt ist. Ich sage Ihnen, der Enthusiasmus für die Neumann grassiert hier wie eine Viehseuche. Während ich diese Zeilen schreibe, fühle ich selbst seine Einflüsse. Mir klingen noch die begeisterten Worte in die Ohren, womit gestern ein Graukopf von ihr sprach. Konnte doch Homer uns die Schönheit Helenas nicht stärker schildern, als indem er zeigt, wie Greise bei ihrem Anblick in Entzücken gerieten. Sehr viele Mediziner machen ebenfalls der schönen Frau den Hof, und man nennt sie hier scherzweise die »Medizinische Venus«. Aber was brauche ich soviel zu erzählen, Sie haben ja gewiß unsere Theaterkritiken genau gelesen und bemerkt, wie sich ordentlich ein Metrum darin bewegt, und zwar das der Sapphischen Ode an die Venus. Ja, sie ist eine Venus oder, wie ein Altonaer Kaufmann sagte, eine Venussin. Nur der vermaledeite Setzer wirft zuweilen einen Wespenstachel in die Schale hymettischen Honigs, die der fromme Rezensent unserer Göttin opfert. Das nachhelfende »Intelligenzblatt« (der Titel dieses Blattes ist Ironie) berichtigt folgenden

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