Sämtliche Werke
Herrlichkeit, schnell wieder versinkt in die häßlichen, schneidend kreischenden Wogen eines exzentrischen Humors. Der Vorgrund von Hoffmanns Romanen ist gewöhnlich heiter, blühend, oft weichlich rührend, wunderlich geheimnisvolle Wesen tänzeln vorüber, fromme Gestalten schreiten auf und ab, launige Männlein grüßen freundlich und unerwartet, aus all diesem ergötzlichen Treiben grinst hervor eine häßlich verzerrte Alteweiberfratze, die, mit unheimlicher Hastigkeit, ihre allerfatalsten Gesichter schneidet und verschwindet und wieder freies Spiel läßt den verscheuchten muntern Figürchen, die wieder ihre drolligsten Sprünge machen, aber das in unsere Seele getretene katzenjammerhafte Gefühl nicht fortgaukeln können. – Über die Romane anderer hiesiger Schriftsteller will ich in meinen nächsten Briefen sprechen. Alle tragen denselben Charakter. Es ist der Charakter der deutschen Romane überhaupt. Dieser läßt sich am besten auffassen, wenn man sie vergleicht mit den Romanen anderer Nationen, z.B. der Franzosen, der Engländer usw. Da sieht man, wie die äußere Stellung der Schriftsteller den Romanen einer Nation einen eignen Charakter verleiht. Der englische Schriftsteller reiset, mit einer Lords- oder Apostelequipage, schon durch Honorar bereichert oder noch arm, gleichviel, er reiset, stumm und verschlossen beobachtet er die Sitten, die Leidenschaften, das Treiben der Menschen, und in seinen Romanen spiegelt sich ab die wirkliche Welt und das wirkliche Leben, oft heiter (Goldsmith), oft finster (Smollet), aber immer wahr und treu (Fielding). Der französische Schriftsteller lebt beständig in der Gesellschaft, und zwar in der großen, mag er auch noch so dürftig und titellos sein. Fürstes und Fürstinnen kajolieren den Notenabschreiber Jean-Jacques, und im Pariser Salon heißt der Minister Monsieur und die Herzogin Madame. Daher lebt in den Romanen der Franzosen jener leichte Gesellschaftston, jene Beweglichkeit und Feinheit und Urbanität, die man nur im Umgang mit Menschen erlangt, und daher jene Familienähnlichkeit der französischen Romane, deren Sprache immer dieselbe scheint, eben weil sie die gesellschaftliche ist. Aber der arme deutsche Schriftsteller, der, weil er meistens schlecht honoriert wird oder selten Privatvermögen besitzt, kein Geld zum Reisen hat, der wenigstens spät reist, wenn er sich schon in eine Manier hineingeschrieben, der selten einen Stand oder einen Titel hat, der ihm die Gnadenpforten der vornehmen Gesellschaft, die bei uns nicht immer die feine ist, erschleußt, ja der nicht selten einen schwarzen Rock entbehrt, um die Gesellschaft der Mittelklasse zu frequentieren: der arme Deutsche verschließt sich in seiner einsamen Dachstube, faselt eine Welt zusammen, und in einer aus ihm selbst wunderlich hervorgegangenen Sprache schreibt er Romane, worin Gestalten und Dinge leben, die herrlich, göttlich, höchstpoetisch sind, aber nirgends existieren. Diesen phantastischen Charakter tragen alle unsre Romane, die guten und die schlechten, von der frühesten Spieß-, Cramer- und Vulpinszeit bis Arnim, Fouqué, Horn, Hoffmann usw., und dieser Romancharakter hat viel eingewirkt auf den Volkscharakter, und wir Deutschen sind unter allen Nationen am meisten empfänglich für Mystik, geheime Gesellschaften, Naturphilosophie, Geisterkunde, Liebe, Unsinn und – Poesie!
Fußnote
1 Spontini komponiert zu diesen Festlichkeiten »Das Rosenfest in Kaschemir«, worin zwei Elefanten erscheinen.
Über Polen
Erstdruck 1823.
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Seit einigen Monaten habe ich den preußischen Teil Polens die Kreuz und die Quer durchstreift; in dem russischen Teil bin ich nicht weit gekommen, nach dem österreichischen gar nicht. Von den Menschen hab ich sehr viele, und aus allen Teilen Polens, kennengelernt. Diese waren freilich meistens nur Edelleute, und zwar die vornehmsten. Aber wenn auch mein Leib sich bloß in den Kreisen der höheren Gesellschaft, in dem Schloßbann der polnischen Großen, bewegte, so schweifte der Geist doch oft auch in den Hütten des niedern Volks. Hier haben Sie den Standpunkt für die Würdigung meines Urteils über Polen.
Vom Äußern des Landes wüßte ich Ihnen nicht viel Reizendes mitzuteilen. Hier sind nirgends pikante Felsengruppen, romantische Wasserfälle, Nachtigallengehölze usw.; hier gibt es nur weite Flächen von Ackerland, das meistens gut ist, und dicke, mürrische Fichtenwälder. Polen lebt nur von Ackerbau und Viehzucht; von Fabriken und
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