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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Hauptsache – die Liebe. Wo dieser Stern nicht leuchtet, da ist es Nacht, und wenn auch alle Lichter der Enzyklopädie ihr Brillantfeuer umhersprühen. – Wenn Vaterland das erste Wort des Polen ist, so ist Freiheit das zweite. Ein schönes Wort! Nächst der Liebe gewiß das schönste. Aber es ist auch nächst der Liebe das Wort, das am meisten mißverstanden wird und ganz entgegengesetzten Dingen zur Bezeichnung dienen muß. Hier ist das der Fall. Die Freiheit der meisten Polen ist nicht die göttliche, die Washingtonsche; nur ein geringer Teil, nur Männer wie Koscinszko haben letztere begriffen und zu verbreiten gesucht. Viele zwar sprechen enthusiastisch von dieser Freiheit, aber sie machen keine Anstalt, ihre Bauern zu emanzipieren. Das Wort Freiheit, das so schön und volltönend in der polnischen Geschichte durchklingt, war nur der Wahlspruch des Adels, der dem Könige soviel Rechte als möglich abzuzwängen suchte, um seine eigne Macht zu vergrößern und auf solche Weise die Anarchie hervorzurufen. C’était tout comme chez nous, wo ebenfalls deutsche Freiheit einst nichts anders hieß, als den Kaiser zum Bettler machen, damit der Adel desto reichlicher schlemmen und desto willkürlicher herrschen konnte; und ein Reich mußte untergehen, dessen Vogt auf seinem Stuhle festgebunden war und endlich nur ein Holzschwert in der Hand trug. In der Tat, die polnische Geschichte ist die Miniaturgeschichte Deutschlands; nur daß in Polen die Großen sich vom Reichsoberhaupte nicht so ganz losgerissen und selbständig gemacht hatten wie bei uns und daß durch die deutsche Bedächtigkeit doch immer einige Ordnung in die Anarchie hineingelangsamt wurde. Hätte Luther, der Mann Gottes und Katharinas, vor einem Krakauer Reichstage gestanden, so hätte man ihn sicher nicht so ruhig wie in Augsburg aussprechen lassen. Jener Grundsatz von der stürmischen Freiheit, die besser sein mag als ruhige Knechtschaft, hat dennoch, trotz seiner Herrlichkeit, die Polen ins Verderben gestürzt. Aber es ist auch erstaunlich, wenn man sieht, welche Macht schon das bloße Wort Freiheit auf ihre Gemüter ausübt; sie glühen und flammen, wenn sie hören, daß irgend für die Freiheit gestritten wird; ihre Augen schauen leuchtend nach Griechenland und Südamerika. In Polen selbst aber wird, wie ich oben schon gesagt, unter Niederdrückung der Freiheit bloß die Beschränkung der Adelsrechte verstanden oder gar die allmähliche Ausgleichung der Stände. Wir wissen das besser; die Freiheiten müssen untergehen, wo die allgemeine gesetzliche Freiheit gedeihen soll.
    Jetzt aber knien Sie nieder, oder wenigstens ziehen Sie den Hut ab – ich spreche von Polens Weibern. Mein Geist schweift an den Ufern des Ganges und sucht die zartesten und lieblichsten Blumen, um sie damit zu vergleichen. Aber was sind gegen diese Holden alle Reize der Mallika, der Kuwalaja, der Oschadhi, der Nagakesarblüten, der heiligen Lotosblumen, und wie sie alle heißen mögen – Kamalata, Pedma, Kamala, Tamala, Sirischa usw.!! Hätte ich den Pinsel Raffaels, die Melodien Mozarts und die Sprache Calderons, so gelänge es mir vielleicht, Ihnen ein Gefühl in die Brust zu zaubern, das Sie empfinden würden, wenn eine wahre Polin, eine Weichselaphrodite, vor Ihren hochbegnadigten Augen leibhaftig erschiene. Aber was sind Raffaelsche Farbenkleckse gegen diese Altarbilder der Schönheit, die der lebendige Gott in seinen heitersten Stunden fröhlich hingezeichnet! Was sind Mozartsche Klimpereien gegen die Worte, die gefüllten Bonbons für die Seele, die aus den Rosenlippen dieser Süßen hervorquellen! Was sind alle Calderonischen Sterne der Erde und Blumen des Himmels gegen diese Holden, die ich ebenfalls, auf gut calderonisch, Engel der Erde benamse, weil ich die Engel selbst Polinnen des Himmels nenne! Ja, mein Lieber, wer in ihre Gazellenaugen blickt, glaubt an den Himmel, und wenn er der eifrigste Anhänger des Baron Holbach war; – – – – – – – – – – – – – – – Wenn ich über den Charakter der Polinnen sprechen soll, so bemerke ich bloß: sie sind Weiber. Wer will sich anheischig machen, den Charakter dieser letztern zu zeichnen!
    Ein sehr werter Weltweiser, der zehn Oktavbände »weibliche Charaktere« geschrieben, hat endlich seine eigne Frau in militärischen Umarmungen gefunden. Ich will hier nicht sagen, die Weiber hätten gar keinen Charakter. Beileibe nicht! Sie haben vielmehr jeden Tag einen andern. Diesen immerwährenden Wechsel des

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