Sämtliche Werke
bemerken, der fast greinen möchte und an Leib und Seele schauert wie ein kleines Vögelchen, das in die Zaubernähe einer Klapperschlange geraten ist, seine Gefahr entsetzlich fühlt und sich doch nicht helfen kann und mit jämmerlich närrischer Miene dem Untergange sich darbietet; – du würdest einen langen Antagonisten bemerken, der sich mit schlotternden Beinen an der Bank festklammert, damit der heranziehende Sturm ihn nicht fortfegt; – oder du bemerkst sogar einen stattlichen, wohlbeleibten Repräsentanten irgendeiner fetten Grafschaft, der beide Fäuste in das Kissen seiner Bank hineingräbt, völlig entschlossen, im Fall ein Mann von seiner Wichtigkeit aus dem Hause geschleudert würde, dennoch seinen Sitz zu bewahren und unter sich von dannen zu führen.
Und nun kommt es: – die Worte, welche so tief geflüstert und gemurmelt wurden, schwellen an, so laut, daß sie selbst den Jubelruf der eignen Partei übertönen, und nachdem irgendein unglückseliger Gegner bis auf die Knochen geschunden und seine verstümmelten Glieder durch alle Redefiguren durchgestampft worden, dann ist der Leib des Redners wie niedergebrochen und zerschlagen von der Kraft seines eignen Geistes, er sinkt auf seinen Sitz zurück, und der Beifallärm der Versammlung kann jetzt unaufhaltbar hervorbrechen.«
Ich habe es nie so glücklich getroffen, daß ich Brougham während einer solchen Rede im Parlamente ruhig betrachten konnte. Nur stückweis oder Unwichtiges hörte ich ihn sprechen, und nur selten kam er mir dabei selbst zu Gesicht. Immer aber – das merkte ich gleich –, sobald er das Wort nahm, erfolgte eine tiefe, fast ängstliche Stille. Das Bild, das oben von ihm entworfen worden, ist gewiß nicht übertrieben. Seine Gestalt, von gewöhnlicher Manneslänge, ist sehr dünn, ebenfalls sein Kopf, der mit kurzen, schwarzen Haaren, die sich der Schläfe glatt anlegen, spärlich bedeckt ist. Das blasse, längliche Gesicht erscheint dadurch noch dünner, die Muskeln desselben sind in krampfhafter, unheimlicher Bewegung, und wer sie beobachtet, sieht des Redners Gedanken, ehe sie gesprochen sind. Dieses schadet seinen witzigen Einfällen; denn für Witze und Geldborger ist es heilsam, wenn sie uns unangemeldet überraschen. Obgleich sein schwarzer Anzug, bis auf den Schnitt des Fracks, ganz gentlemännisch ist, so trägt solcher doch dazu bei, ihm ein geistliches Ansehen zu geben. Vielleicht bekommt er dieses noch mehr durch seine oft gekrümmte Rückenbewegung und die lauernde, ironische Geschmeidigkeit des ganzen Leibes. Einer meiner Freunde hat mich zuerst auf dieses »Klerikalische« in Broughams Wesen aufmerksam gemacht, und durch die obige Schilderung wird diese feine Bemerkung bestätigt. Mir ist zuerst das »Advokatische« im Wesen Broughams aufgefallen, besonders durch die Art, wie er beständig mit dem vorgestreckten Zeigefinger demonstriert und mit vorgebeugtem Haupte selbstgefällig dazu nickt.
Am bewunderungswürdigsten ist die rastlose Tätigkeit dieses Mannes. Jene Parlamentsreden hält er, nachdem er vielleicht schon acht Stunden lang seine täglichen Berufsgeschäfte, nämlich das Advozieren in den Gerichtssälen, getrieben und vielleicht die halbe Nacht an Aufsätzen für das »Edinburgh Review« oder an seinen Verbesserungen des Volksunterrichts und der Kriminalgesetze gearbeitet hat. Erstere Arbeiten, der Volksunterricht, werden gewiß einst schöne Früchte hervorbringen. Letztere, die Kriminalgesetzgebung, womit Brougham und Peel sich jetzt am meisten beschäftigen, sind vielleicht die nützlichsten, wenigstens die dringendsten; denn Englands Gesetze sind noch grausamer als seine Oligarchen. Der Prozeß der Königin begründete zuerst Broughams Zelebrität. Er kämpfte wie ein Ritter für diese hohe Dame, und wie sich von selbst versteht, wird Georg IV. niemals die Dienste vergessen, die er seiner lieben Frau geleistet hat. Deshalb, als vorigen April die Opposition siegte, kam Brougham dennoch nicht ins Ministerium, obgleich ihm, als leader of the opposition, in diesem Falle, nach altem Brauch, ein solcher Eintritt gebührte.
IX
Die Emanzipation
Wenn man mit dem dümmsten Engländer über Politik spricht, so wird er doch immer etwas Vernünftiges zu sagen wissen. Sobald man aber das Gespräch auf Religion lenkt, wird der gescheiteste Engländer nichts als Dummheiten zutage fördern. Daher entsteht wohl jene Verwirrung der Begriffe, jene Mischung von Weisheit und Unsinn, sobald im Parlamente die
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