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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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jeder diesem Emanuel vergebe.
    Nach dem über ein ganzes Leben hinschimmernden Wiederfinden kamen beide bei dem blinden Jüngling an, und seine Flöte hob das Herz aus dem schlagenden Fieberblut sanft in den beruhigten Äther des Himmels im Traume hinüber.
    Da ich so gerne um Emanuel bin: so gönne mir der Leser die Freude, alle Stunden auseinander zu blättern, die wir in seinem Hause verbringen dürfen, und recht Schritt vor Schritt zu gehen.
    Der Morgen deckte dem Zöglinge Emanuels wie Kindern erst auf, was die Nacht seinem Herzen für ein Christgeschenk bescheret hatte. Welche Gestalt trat im Morgenglanz vor ihn, da das stille, kindliche, beruhigte Gesicht des Lehrers, über das einmal Stürme gezogen waren, wie auf dem sanften weißen Monde Vulkane gelodert haben, ihn auf eine Weise anlächelte, daß sein Inneres in stummer Wonne zerfloß! Besonders im Profil angeblickt, schien diese hohe Gestalt am Ufer der Erde zu stehen und hinunterzuschauen in die zweite Halbkugel des Himmels, die uns der Stein auf dem Grabe und der fette Trift-Boden dieses Lebens verdeckt. Sein Angesicht verklärte sich, wenn er es zum Himmel aufhob – wenn er Gott nannte oder die Ewigkeit – wenn er vom längsten Tage sprach; in seinem Lichte erblaßte das Glanzgold der Gegenwart zum Mattgold der Vergangenheit, und sein Geist ruhte schwebend auf dem Körper, wie in Arabesken Genien aus Blumen keimen. So leicht stimmte sich Viktor nie aus dem Traum in den neuen Tag als an diesem Morgen durch Emanuels Stimme, die sozusagen die Sphärenmusik zum blauen Himmel seiner Augen war, aus welchem wie aus dem ägyptischen nie ein Tropfe fiel; er konnte aus Unvermögen seiner Tränendrüsen niemals weinen; auch erschütterte dieses Leben seine Seele nicht mehr.
    Das reine Morgenzimmer machte gleichsam die Seele rein und still. Er war der größte körperliche Purist, er wusch seinen Körper ebensooft als seine Kleider, und der Schmutz der medizinischen Sprache wurde bis sogar auf Wörter, wie z. B. Zahnstocher etc., von seiner unbefleckten Zunge gemieden. Ebenso blieb sein Herz sogar von den bloßen Bildern großer Sünden unbesudelt; und diese unwissende Unschuld, so wie eine Unbekanntschaft mit unsern listigen Sitten, machte ihn in drei verschiedenen Augen entweder zum Kinde – oder zum Mädchen – oder zum Engel. –
    Das Frühstück von Wasser und Früchten – die überhaupt seinen ganzen Küchenzettel besetzten – rückte strafend unserm Viktor den Wein und Kaffeesatz vor, womit er die Blumen seines Geistes, wie irdische, zuweilen düngen mußte. Blumenscherben waren Dahores Dosen und glühten unter dem Lindengrün, das, von zwei zahmen und doch freien Grasmücken durchhüpft, das lebendige wachsende Deckenstück des Zimmers war. Auch seine Seele schien, wie ein Brahmin, von poetischen Blumen zu leben, und seine Sprache war oft, wie seine Sitten, indisch, d. h. poetisch. So war überall, wie bei mehren Menschen-Magnaten, eine auffallende vorherbestimmte Harmonie zwischen der äußern Natur und seinem Herzen – er fand im Körperlichen leicht die Physiognomie des Geistigen und umgekehrt – er sagte: die Materie ist als Gedanke ebenso edel und geistig als irgendein anderer Gedanke, und wir stellen uns in ihr doch nur die göttlichen Vorstellungen von ihr vor: – z. B. unter dem Frühstück vertiefte er sich in den glimmenden Tautropfen in einer Levkoje und spielte durch das Wiegen des Auges das Farbenklavier derselben durch. »Es muß« – sagte er – »irgendeine Harmonie zwischen diesem Wasserstäubchen und meinem Geiste zusammenklingen, wie zwischen der Tugend und mir, weil beide mich sonst nicht entzücken könnten. Und ist denn dieser Einklang, den der Mensch mit der ganzen Schöpfung (nur in verschiedenen Oktaven) macht, nur ein Spiel des Ewigen und kein Nachhall einer nähern, größern Harmonie?« Ebenso blickte er oft eine glimmende Kohle so lange an, bis sie ihm zu einer Flammen-Aue sich ausgebreitet hatte, die er, von sanften Phantasien beleuchtet, auf- und niederwandelte….
    Erdulde, Leser, diese blumige Seele; wir wollen beide denken, daß die Menschen leichter eine Religion als eine Philosophie haben können, und daß jedes System sein eignes Gewebe des Herzens voraussetze, und daß das Herz die Knospe des Kopfes sei.
    Der einzige Umstand schmerzte den beglückten Viktor an diesem Morgen, daß er den schönen Blinden nicht umfassen und fragen durfte: »Haben wir nicht schon beisammengelebt, und ist dir meine Stimme

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