Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
Vom Netzwerk:
sinken mögen. – – In einem solchen Munde gibt das Lob des Gegenstandes allzeit der Liebe einen außerordentlichen Wachstum, weil diese immer Vorwand sucht und dann auf einmal zeitigt, wenn sie ihn gefunden.
    Wenn dir, mein Freund, das Herz für ein fremdes nicht schnell und heftig genug schlägt – ob es gleich meines Erachtens schon fieberhaft pulsiert, nämlich 111mal in einer Minute –, so gehe, um dein kaltes Fieber in ein warmes umzusetzen, dein viertägiges in ein tägliches, nur zu andern besonders geachteten Leuten hin und lasse dir sie vorloben, die Gute, oder nur oft vornennen: todkrank und mit deinen 140 Pulsschlägen versehen, gehst du weg und hast das verlangte Fieber am Hals.
    Der unschuldige Emanuel, der Viktors Wärme nicht erriet, glaubte, er müsse noch mehr tun, um ihm die siebenfache Weihe zum Priester der Freundschaft für Klotilden zu geben, und gab ihm einen – Brief von ihr. Du konntest es tun, Ostindier, da du hier ein im limbus infantum (im Kinder-Himmel) zum Engel gewordnes Kind bist, da du keine Geheimnisse hast, ausgenommen das Geheimnis der drei Kinder (daher dich der Lord nicht zum Vorleser seiner Briefe machte), und da du gar nicht ahnest, die Weggabe des fremden Briefes sei nicht recht. Doch dein Schüler hätte ihn nicht lesen sollen.
    Der las ihn aber. Er kann sich mit nichts decken als mit meinem Leser, der hier diesen nämlichen fremden Brief, den dessen Stellerin nie für ihn geschrieben, doch auf seinem Sessel genau durchsieht. Ich meines Orts lese nichts, sondern schreibe nur das ab, was mir der Hund gebracht. – Es ist schön, daß dieser Brief von ihr gerade in der regnenden, melodischen Nacht des Gartenfestes gemacht war, wo er seinen ersten an Emanuel geschrieben hatte.
    »St. Lüne den 4. Mai 179*.
    Sie verlangen es vielleicht nicht, verehrungwerter Lehrer, daß ich mich entschuldige, da ich kaum aus Maienthal bin und schon mit einem Briefe wiederkomme. Ich wollte gar schon unterweges schreiben, dann am zweiten Tage und endlich gestern. Dieses Maienthal wird mir noch viele Täler verderben; jede Musik wird mir wie ein Alphorn klingen, das mich traurig macht und in mein Herz die Erinnerung an das Alpenleben unter der Trauerbirke bringt.
    In dieser Stimmung würd’ ich es meinem Herzen nicht verweigern können, sich zu öffnen und sich vor dem Ihrigen in den wärmsten Dank für die schönsten und lehrreichsten Tage meines Lebens zu ergießen: wenn ich nicht den Entschluß hätte, in einigen Tagen wieder in Maienthal zu sein; nach meiner zweiten Zurückkehr soll mein Herz seinen Willen haben.
    In unserm Hause fand ich nichts verändert – auch in unsers Nachbars seinem nichts; und ich fand in allen Seelen die Liebe wieder, womit wir auseinander geschieden waren, nur ist meine Agathe zwar lustig, aber doch es minder als sonst. Die einzige Veränderung in Herrn Eymanns Hause ist ein Gast, den jeder anders nennt: Viktor – Horion – Sebastian – junger Lord – Doktor. Diesen letzten Namen verdient er in vollem Maße durch seine erste Handlung und erste Freude in St. Lüne, welche die Heilung des blinden Lords Horion war. Welch ein Glück für den Geretteten und für den Retter! – Möge dieser Jüngling doch einmal durch Ihr Eden gehen und Ihren guten Julius antreffen, um an ihm die schöne Kunst zu wiederholen! – O sooft ich daran denke, daß das männliche Geschlecht mit dem Stoffe zu den größten göttlichen Wohltaten beglückt ist, daß es, wie ein Gott, Augen, Leben, Recht, Wissenschaften austeilen kann, indes mein Geschlecht sein Herz, das sich nach Wohltun sehnt, auf kleinere Verdienste, auf eine Träne, die es abtrocknet, auf eine eigne, die es verbirgt, auf eine geheime Geduld mit Glücklichen und Unglücklichen einschränken muß: so wünsch’ ich, möchte doch dieses Geschlecht, das die höchsten Wohltaten in Händen hat, uns die größte vergönnen, es – nachzuahmen und Güter in die Hände zu bekommen, die uns beglückten, wenn wir sie verteilten! – Jetzo kann ein Weib mit nichts in ihrer Seele groß sein als nur mit Wünschen.
    Ich komme gerade vom freien Himmel herein aus einem kleinen Gartenfeste bei meiner Agathe; und mir ist ordentlich jedes schöne tiefblaue Stück vom Himmel nicht recht, wenn es nicht über Ihrer Trauerbirke steht, wo Ihr Auge alle seine Schätze und Sonnen aufzählt und meinem Herzen alle Winke der unendlichen Macht und Liebe zeigt. Ich dachte heute im Garten mit einer fast zu traurigen Sehnsucht an Ihr

Weitere Kostenlose Bücher