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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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einzige, dieser unersetzliche Mensch, der in seinem großen Herzen doch so viel Liebe für dich bewahret, geht dahin und erscheint nie wieder. – Ach, da noch dazu gerade jetzt Emanuel, der still in den Himmel versenkt und wie ein Hingeschiedener neben ihm gelegen, seine Lage wegen des schmerzlichen und gedrückten Atemholens wechselte, aber mit einem heitern, von den Bruststichen nicht getroffnen Angesicht: so fuhr eine kalte Hand in Viktors geschwollnes Herz und wendete sich darin um, und sein Blut gerann an ihr an, und er sagte, ohne ihn ansehen zu können, schwach, bittend, gebrochen: »Stirb nicht nach einem Jahr, mein teurer Emanuel – wünsche nicht zu sterben!«
    Der Genius der Nacht stand bisher unsichtbar vor Emanuel und goß hohe Entzückungen in seine Brust, aber keine Leidenschaften, und er sagte: »Wir sind nicht allein – meine Seele fühlt das Vorbeigehen ihrer Verwandten und richtet sich auf – unter der Erde ist Schlaf, über der Erde ist Traum, aber zwischen dem Schlaf und Traum seh’ ich Lichtaugen wandeln wie Sterne. – Ein kühles Wehen kömmt vom Meer der Ewigkeit über die glühende Erde. – Mein Herz steigt auf und will abbrechen vom Leben. – Es ist alles so groß um mich, wie wenn Gott durch die Nacht ginge. – Geister! fasset meinen Geist, er windet sich nach euch, und zieht ihn hinüber….«
    Viktor wandte sich um und sah flehend ins schöne, freudige, unbetränte Angesicht: »Du willst sterben?«
    Emanuels Entzückung stieg über das Leben: »Der dunkle Streif in der zweiten Welt ist nur eine Blumen-Aue – es leuchten uns Sonnen voraus, es ziehen uns fliegende Himmel mit Frühlinglüften entgegen – bloß mit leeren Gräbern fliegt die Erde um die Sonne; denn ihre Toten stehen entfernt auf hellern Sonnen.« –
    »Emanuel?« – fragte Viktor laut weinend und mit der Stimme des innigsten Sehnens, und die Flötentöne sanken jammernd unter in die weite Nacht – »Emanuel?«
    Emanuel sah ihn, zurückkommend, an und sagte ruhig: »Ja, mein Geliebter! – Ich kann mich nicht mehr an die Erde gewöhnen; der Wassertropfen des Lebens ist flach und seicht geworden, ich kann mich nicht mehr darin bewegen, und mein Herz sehnt sich unter die großen Menschen, die diesen Tropfen verlassen haben. – – O Geliebter, höre doch« – (und hier drückte er das Herz seines Viktors wund) – »diesen schweren Atem gehen – siehe doch diesen zerbrochnen Körper, diese dichte Hülle meinen Geist umwickeln und seinen Gang erschweren. –
    Siehe, hier klebt mein und dein Geist angefroren an die Eisscholle, und dort decket die Nacht alle hintereinander ruhende Himmel auf, dort im blauen glimmenden Abgrunde wohnt alles Große, was sich auf der Erde entkleidet hat, alles Wahre, das wir ahnen, alles Gute, das wir lieben. –
    Sieh, wie alles so still ist drüben in der Unendlichkeit – wie leise ziehen die Welten, wie still schimmern die Sonnen – der große Ewige ruhet wie eine Quelle mit seiner überfließenden unendlichen Liebe mitten unter ihnen und erquickt und beruhigt alles; und um Gott steht kein Grab.«
    Hier stand Emanuel, wie von einer unendlichen Seligkeit gehoben, auf und sah liebend zum Arkturus empor, der noch unter dem Gipfel des Himmels hing, und sagte, gegen die blinkende weite Tiefe gerichtet: »Ach wie unaussprechlich sehn’ ich mich hinüber zu euch – ach zerfalle, altes Herz, und verschließ mich nicht so lange!« – »So stirb denn, große Seele,« (sagte Viktor) »und ziehe hinüber; aber brich mein kleines Herz durch deinen Tod und behalte den Armen bei dir, der dich nicht verlassen und nicht entbehren kann.«
    Die Flöte hatte aufgehört, die beiden Menschen waren aneinander gesunken, um ihren Abschied zu endigen. »Teurer, Geliebter, Unvergeßlicher,« (sagte Emanuel) »du bewegst mich zu sehr – aber wenn ich nach einem Jahre auf diesem Berge verscheide, so sollst du bei mir stehen und sehen, wie dem Menschen die Banden abgenommen werden. Deine Tränen werden meine letzten Erden-Schmerzen sein; aber ich werde sagen, was ich jetzt sage: wir scheiden uns in der Nacht, aber wir finden uns wieder am Tage.« Hier ging er.
    Viktor hatte sich leise von den kindlichen Lippen losgewunden – er jagte nicht auf seinem Nacht-Steige – langsam ging er vor lauter Schlaf vorbei. – Er wandte sich oft um und verfolgte mit Augen voll fallender Tränen die fallenden Sterne über Maienthal – und um 4 Uhr morgens kam er mit einer himmlischen Seele in St. Lüne an und

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