Saemtliche Werke von Jean Paul
was mir die berghauptmannschaftliche Konzession , die ich mir am Schalttage endlich ausgewirkt, nämlich nach Gefallen auszuschweifen und zu scherzen, nur im geringsten helfen soll, wenn ich zu jedem frischen Scherze um eine neue Konzession nachsuchen muß und wenn alles dem Leser in meinen Historien lieber ist als das, womit ich solche störe. Wahrhaftig, mitten im Appendix muß ich hier die Digression wieder durch eine besondre Überschrift, durch ein gare, Vorgesehen, Kopf weg usw. warnend signieren.
Die Bettler sind die wahren Barden jetziger deutscher Nation.
Ich fange nirgends an als beim Erweise. Die alten Barden zogen bekanntlich mit in jeden Krieg – wie in neuern Zeiten oft der halbe parisische General-Stab, wenn er die Gunst der Musen und der Pompadour hatte –, weniger um zuzusehen, was es auf dem Schlachtfelde zu bekämpfen als zu besingen gebe: auf der Davidsharfe trugen sie nachher die ganze Schlacht wieder vor in einem offiziellen poetischen Bericht. – Die Bettler des achtzehnten Jahrhunderts dienen nun als Gemeine und Unteroffiziers in den wichtigsten Treffen, die wir haben: das setzt sie in den Stand, auf dem Schlachtacker alles zu summieren, was noch – außer der Schlacht – verloren wurde, nämlich Köpfe und Beine. Dann erwartet man von ihnen, daß sie, wenn ihnen nichts weiter weggeschossen worden als die Letztern, in den Wirtshäusern an Pflicht denken und einige Gläser Branntewein fodern – der Staat reichte ihnen vorher durch seine Glieder die Gelder dazu – und den Umstehenden erzählen, wie es herging in der Schlacht bei Wetzlar, bei Wien, bei Regensburg, bei Potsdam. – Da der römische Stuhl keine hölzernen Beine weiter hat als dessen seine, der sich auf ihn setzt: so kann ein gegenwärtiger Straßen-Barde auf nicht mehr verholzten Beinen zu stehen verlangen, als den heiligen Vater selber tragen.
Die Skalden – nördlichere Barden – behielten sonst ihre Beine; aber sie hatten es einer schirmenden Gurt von Jünglingen, Skaldaburg genannt, Dank zu wissen, die sie in jeder Schlacht umstellte. Jetzt bestehen die schirmenden Jünglinge (Bettler, Krieger, Barden) aus niemand als aus den beschirmten selber.
Der Ladenmeister der Skalden, der blinde Homer , deklamierte vor den Türen die älteste Ausgabe seiner Gedichte und war selber der Kollekteur seines Honorars bei den Abonnenten, die er anbettelte. Neuere blinde Jungmeister der Skalden singen vor den Fenstern des Publikums an einem waagrechten Stabe – wie auf einem die geblendeten Finken, und die homerischen Rhapsodisten an einem bleirechten – gute Gelegenheits-Gedichte ab und schieben von außen kleine Kanzel-Lieder in die Kontrovers-Predigten ein, die man innen in den Häusern hält. Das Band, das einen frohen Dichter an die Menschen knüpft und das oft ein ehliches wird, ist der horizontale Stock, den der Blinde und die Frau an entgegengesetzten Polen halten, wiewohl in großen Städten (Paris, London) statt der copula carnalis ein Strick und statt der Frau ein Hund führt, den man einen edlern Nachdrucker nennen kann, weil er den Dichter, wie der unedle die Gedichte, unter die Leute bringt und ihn dem Brote entgegenzieht, das ihm der andre entzieht. Glaubwürdige Hegebereiter und Bettelvögte haben mich versichert, daß Frauen keinen Mann lieber führen als einen blinden und daß sie sich untereinander um den erledigten Posten einer Führerin raufen und zanken. Sie überzeugten mich durch zwei Ursachen, die sie davon angaben: erstlich bettelt einer, der von seinem grauen Stare lebt und der Panist und Apanagist seiner Augen ist, weit mehr vom ebenso blinden Glück und Pluto zusammen als ein andrer, der sehen muß – zweitens hat eine solche Cicerone, da sie dessen Regie und Hebungsbediente ist, Hoffnung, ihm seine Revenüen halb zu stehlen, weil er wie mehrere Blinde nehmen muß, was ihm das Mautamt aufzählt. Um so weniger sollten solchen Barden, die so unermüdet ihren Ruhm und Unterhalt vor den Türen suchen, eben die Berliner Bibliothekare wedelnd nachschleichen, die sich den Namen Bettelvögte, Hegebereiter geben: Vögte, Reiter dieser Art greifen immer, wie so viele der kritischen Menagerie, nicht sowohl den Gesang als aus den Menschen an.
Ich finde in Troils Reisebeschreibung, daß sonst die alten Barden in Irland ganze Strecken Landes geschenkt bekommen haben und daß im 6ten Jahrhundert ein Drittel des irländischen Volks aus Barden bestanden. In den neuern Reiseberichten treffen wir (hoff ‘ ich) im
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