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Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Titel: Saemtliche Werke von Karl May - Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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dessen oberen, fleischigen Theil die matte Kugel eingedrungen war, wo sie noch saß. Er zog das Messer aus dem Gürtel und reichte es ihr.
    »Mo-la mag das Blei entfernen!«
    Eine Indianerin bebt vor dergleichen Arbeiten nicht zurück. Das Mädchen sondirte die Wunde erst durch das Gefühl, indem sie die Finger leise drückend um den Arm legte, und als sie die Lage der Kugel erkannte, versuchte sie, dieselbe mit dem Messer aus dem Fleische zu holen. Dieses Verfahren mußte ihm keinen gewöhnlichen Schmerz bereiten, aber nicht ein Haar seiner Wimper bewegte sich, und er blickte still auf die kleinen Hände, die sich so freundlich und vorsichtig mit ihm beschäftigten.
    Nach wenigen Augenblicken hatte sie die Kugel entfernt. Jetzt nahm sie von der Zeltwand ein Bündel getrockneter und zerquetschter Kräuter, und bald war der Verband so gut angelegt, daß die Blutung vollständig aufhörte.
    »Falkenauge wird kein Fieber haben, und ehe der Mond wechselt, ist die Wunde geschlossen. Mo-la kennt ihre Pflanzen; sie hat sie selbst geholt zur Stunde, wenn der Thau von den Sternen fällt und Wacondah die Blumen segnet.«
    »Weiß Mo-la, welche Blume er am liebsten segnet?«
    »Falkenauge wird mir es sagen!«
    »Die Blume der Comanchen.«
    Jetzt glänzte sein Auge in einem tiefen, milden Lichte, und er bog sich wieder zu ihr, um mit seiner Hand die ihrige zu berühren. Sie schlug die Wimpern nicht nieder, sondern richtete ihren Blick groß und voll in den seinigen.
    »Der große Krieger liebt nur den Kampf und die Gefahr, er blickt nicht auf die Blume, die das Gras verdeckt.«
    »Er hat sie gesehen und möchte mit ihr sein Wigwam schmücken, um auszuruhen an ihrem Herzen vom Getöse der Schlacht und den Mühen der Jagd. Wird sie unter seinem Zelte mit ihm wohnen wollen?«
    »Sie will!«
    Er strich ihr mit der Hand, die noch immer von seinem eigenen Blute befleckt war, über das weiche Haar.
    »Der ›kluge Fuchs‹ ist der Vater der Blume. Falkenauge wird mit ihm reden!«
    »Der ›kluge Fuchs‹ hat Falkenauge lieb; er wird ihm die Blume schenken, wenn er die Skalpe seiner Feinde bringt.«
    »Falkenauge wird gehen und so viele Kopfhäute holen, als der Häuptling sehen will. Er weiß den Weg zu den Kriegern der Apachen und wird ihnen mit dem Messer um die Köpfe zeichnen, wie viel Skalps er für Mo-la bezahlt.«
    »Der Weg ist weit und viele Sonnen lang. Falkenauge nehme diese Moccassins, damit sein Fuß immer jung und kräftig bleibe in der Verfolgung der Apachen!«
    Er nahm die Schuhe, die sie im Stillen für ihn gefertigt hatte.
    »Die Blume der Comanchen ist wie die Sonne, welche Licht spendet und wie der Quell, der Labung giebt. Sie wird nicht Sklavin sein in dem Wigwam Falkenauge’s, sondern eine Herrin der Hütte und des Zeltes, wie die Frauen der Bleichgesichter! Howgh!«
    Er ging. Mit dem letzten Worte hatte er sein Versprechen zum Schwure gemacht, ein Versprechen, welches   von einem stolzen Krieger wohl noch keinem indianischen Mädchen gemacht worden war. Er kannte die Sitten der Weißen; er wußte, wie werth diese ihre Frauen halten, und die Liebe zu der schönen Häuptlingstochter ließ den Vorsatz in ihm fest werden, ihr eine Stellung nicht unter, sondern neben sich anzuweisen.
    Eine Stunde später kehrten die Comanchen von der Jagd zurück und brachten eine reiche Beute mit. Schon jetzt lagen vor den Hütten ganze Haufen Felle aufgestapelt, und es stand zu erwarten, daß das getrocknete Büffelfleisch dem Stamme einen auf viele Monate hinaus langenden Vorrath bieten werde.
    Einer von ihnen ritt auf einem verkehrt gesattelten Pferde, an dessen Schwanze Büchse, Messer, Tomahawk und Lasso hingen. Es war derjenige, welcher durch seinen Fehlschuß Falkenauge verwundet hatte. Er senkte den Kopf tief und verschwand, sobald der Trupp angekommen war, vor Scham über die ihm gewordene Strafe sofort in seinem Zelte.
    Jetzt bekamen die Frauen doppelte Arbeit. Das getrocknete Fleisch mußte abgenommen und das frische an die Riemen befestigt werden; die Männer wollten bedient sein; die Feuer wurden angebrannt, und bald konnte man vor den Zelten die Gruppen der Männer sehen, welche rauchend, plaudernd oder still ausruhend auf das Mahl warteten, welches die Frauen zu bereiten hatten.
    Der »kluge Fuchs« saß in seinem Zelte und blickte der Tochter zu, welche mit besorgter Emsigkeit um ihn schaltete. Der Bewohner der Prairie ist nicht so jeder häuslichen Freude bar, wie man oft zu meinen pflegt.   Auch er hat ein Herz,

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