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Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Titel: Saemtliche Werke von Karl May - Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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fließt. Er bildet hier an dieser Stelle zwei Arme, von denen der linke seine ursprüngliche Richtung beibehält, der rechte aber nach Nordwest abbiegt, die dort liegenden Berge durchschneidet und dann nach Südwest zu dem andern Arm zurückkehrt. So entsteht ein Dreieck, in dessen oberster Spitze die Nebelberge liegen. Wir sind heut Nacht an der Stelle, wo der Rio sich theilt, vorübergeschwommen und befinden uns am linken Arm, in der Nähe des Punktes, wo er den rechten wieder aufnimmt. Gehen wir also an diesem aufwärts, so erreichen wir die Berge von der dem Lager der Goldsucher entgegengesetzten Seite. Innerhalb der Ecke, welche der rechte Arm umbiegt, um sich nach Südwest zu lenken, liegen neben einander fünf Berge, welche hier abgezeichnet sind. Der mittlere von ihnen fällt nach Süden steil ab und bildet da eine Felswand, an welcher ein Wasserfall zur Tiefe   stürzt. Diesem Falle gegenüber erhebt sich das Grabmal eines Indianerhäuptlings, und höchstens dreißig Schritte von demselben nach Osten liegt das Goldthal, welches von einer dichten Wand von Weiden- und wilden Baumwollbäumen dem Auge entzogen ist. Unweit davon liegt ein kleiner See, dessen Oberfläche so mit grünen Wasserpflanzen überzogen ist, daß man das Wasser kaum zu sehen vermag. So hat mein Pflegevater, ehe er nach Tubac ging, um die Apacheria zum zweiten Male aufzusuchen, meiner Pflegemutter das Placer beschrieben, und diese Zeichnung hier stimmt so genau damit überein, daß wir die Bonanza so sicher finden werden wie unser Messer, wenn wir hinab in den Gürtel greifen.«
    Bois-rosé blickte nachdenklich vor sich hin.
    »Wir befinden uns also,« meinte er, »im Südwest von dem Placer, und das Lager der Mexikaner gerade im Ost von ihm. Wenn ich mich nicht irre, so haben die Goldsucher gerade so weit zum Goldthale wie wir. Wie mir scheint, haben sie gestern Abend die Rothen geschlagen, und es ist nicht ganz unwahrscheinlich, daß sie oder doch Einige von ihnen bereits mit dem Morgen aufgebrochen sind, um die Bonanza aufzusuchen. Demnach haben wir keine Zeit zu verlieren, wenn wir ihnen zuvorkommen wollen.«
    »Das ist auch meine Meinung,« stimmte Pepe bei. »Laßt uns machen, daß wir vorwärts kommen!«
    Für jetzt hatten sie weder von den Mexikanern, noch von den Wilden, deren Lager sich ja noch hinter dem der ersteren im Osten befand, Etwas zu befürchten; sie schritten also nur unter den gewöhnlichen Vorsichtsmaßregeln vorwärts und erreichten schon nach zwei Stunden den ersten der fünf Berge, von denen Fabian gesprochen hatte.
    Diese fünf Höhen hingen eng zusammen und waren blos in ihren Kuppen von einander getrennt. Die Sonne hatte sich schon längst erhoben und beleuchtete mit ihrem hellen, klaren Lichte die Gegend, daß man bis in weite Entfernung hin zu blicken vermochte.
    Wortlos und im raschen Schritte eilten die drei Jäger vorwärts. Der erste Berg lag nun hinter ihnen, der zweite bald auch und – da blieb Fabian, welcher voranging, halten und deutete mit der Hand nach seitwärts empor.
    »Seht Ihr den Wasserfall?«
    Die ihnen entgegenstehende Sonne warf ihr funkelndes Licht in die niederstürzende Wassermasse und erzeugte hinter derselben, zwischen dem Wasserbogen und der Felsenwand, ein köstliches Spiel von gebrochenen Lichtern, welche alle Farben des Regenbogens zeigten, im prächtigen Durcheinander auf und nieder zuckten, sich haschten, sich durchkreuzten, sich flohen und einen Anblick boten, von dem das Auge sich zu wenden sträubte.
    Einige Augenblicke lang standen die Jäger still, um das wundervolle optische Schauspiel zu betrachten. Dann erhob Fabian wieder zeigend seine Hand.
    »Und dort ist das Grab des Häuptlings. Seht Ihr das Pferdeskelett und die Trophäen, mit denen es geschmückt ist? Hinter ihm liegt die Bonanza.«
    In diesem Augenblicke drang ein Laut von der Pyramide zu ihnen herüber, der sie aufhorchen ließ. Die Entfernung war zu groß, als daß sie den Schrei Cuchillo’s in seiner ganzen Stärke hätten hören und in seiner eigenthümlichen Klangfarbe hätten unterscheiden können.
    Sie waren zu erfahren, als daß Einer von ihnen jetzt   die Stille hätte unterbrechen mögen; vielmehr warteten sie mit angestrengtem Gehör auf eine Wiederholung des Lautes.
    Der zweite Schrei Cuchillo’s erscholl, dann blieb es ruhig.
    »Das war ein Mensch,« meinte Pepe.
    »Ein Thier allerdings nicht,« antwortete Rosenholz. »Was meinst Du, Fabian? Deine Ohren sind jünger als die unsrigen und also auch

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