Sagen des klassischen Altertums
Stunde von ihren Dienerinnen umringt, an der Seite ihres Gatten und ihrer Kinder, in das Gemach, wo sie den Boten der Unterwelt empfangen wollte. Hier schickte sie sich zum feierlichen Abschiede von den Ihrigen an. »Laß mich zu dir reden, was mein Herz begehrt«, sprach sie zu ihrem Gemahle. »Weil dein Leben mir teurer ist als das meinige, sterbe ich für dich jetzt, wo mir das Sterben noch nicht drohte, wo ich, einen edlen Thessalier zum zweiten Gemahle wählend, im beglückten Fürstenhause hätte wohnen können. Aber ich wollte nicht leben, deiner beraubt, die verwaisten Kinder anschauend. Dein Vater und deine Mutter haben dich verraten, da doch ihnen Sterben rühmlicher gewesen wäre; denn dann wärest du nicht einsam geworden und hättest keine Waisen aufzuziehen gehabt. Doch da es die Götter einmal so gefügt haben, so bitte ich dich nur, meiner Wohltat eingedenk zu sein und den Kleinen, welche du nicht weniger liebest als ich, die ich sie verlassen muß, kein anderes Weib als Mutter zuzuführen, das, von Neid gequält, sie selber plagen könnte.« Unter Tränen schwur ihr der Gemahl, daß, wie sie im Leben die Seine gewesen, so auch im Tode nur sie ihm Gattin heißen solle. Dann übergab ihm Alkestis die wehklagenden Kinder und sank ohnmächtig nieder.
Unter den Vorbereitungen zur Bestattung geschah es nun, daß der umherirrende Herakles nach Pherai und vor die Tore des Königspalastes kam. Eingelassen, geriet er in eine Unterredung mit den Dienern des Hauses, und zufällig kam Admet selbst dazu. Dieser nahm seinen Gast, den eigenen Kummer unterdrückend, mit großer Herzlichkeit auf, und als Herakles, durch den Anblick seiner Trauerkleider betroffen, ihn um seinen Verlust befragte, erwiderte er, um den Gast nicht zu betrüben oder gar zu verscheuchen, auf eine so verdeckte Weise, daß Herakles der Meinung war, es sei eine ferne Anverwandte des Admet, die zu Besuche bei dem Könige war, gestorben. Er blieb daher fröhlichen Sinnes, ließ sich von einem Sklaven in das Gastgemach geleiten und hier Wein vorsetzen. Als ihm die Traurigkeit des Dieners auffiel, schalt er diesen um sein übermäßiges Leid. »Was siehst du mich so ernst und feierlich an?« sprach er. »Ein Diener muß gefällig gegen Fremdlinge sein! Was ist's auch, wenn eine Fremde in eurem Hause gestorben ist; weißt du denn nicht, daß dies das allgemeine Los der Menschen ist? Den Trübseligen ist das Leben eine Qual; geh, bekränze dich, wie du mich siehst, und trinke mit mir! Ich weiß gewiß, ein überwallender Becher wird bald alle Runzeln deiner Stirne vertreiben.« Aber der Diener wandte sich mit Grauen ab. »Uns traf ein Geschick«, sprach er, »dem nicht Lachen und Schmausen ziemt. Fürwahr, der Sohn des Pheres ist nur allzu gastfreundlich, daß er in so tiefer Trauer einen so leichtsinnigen Gast aufgenommen hat.« »Soll ich nicht fröhlich sein«, erwiderte Herakles verdrießlich, »weil eine fremde Frau gestorben ist?«
»Eine fremde Frau!« rief der Diener verwundert. »Dir mochte sie fremd sein; uns war sie es nicht!« »So hat mir Admet seinen Unfall nicht recht berichtet«, sagte Herakles stutzend. Aber der Sklave sprach: »Nun sei du immerhin fröhlich; der Gebieter Weh geht ja nur ihre Freunde und Diener an!« Aber Herakles hatte keine Ruhe mehr, bis er die Wahrheit erfahren hatte. »Ist's möglich«, rief er, »eines so herrlichen Weibes ward er beraubt, und dennoch hat er den Fremdling so gastlich aufgenommen? Trat ich doch mit geheimem Widerwillen zum Tore herein, und nun hab ich hier im Trauerhause das Haupt mit Kränzen geschmückt, gejubelt und getrunken! Aber sage mir, wo liegt das fromme Weib bestattet?« »Wenn du den geraden Weg gehst, der nach Larissa führt«, antwortete der Sklave, »so siehst du das schmucke Totenmal, das ihr schon aufgerichtet ist.« Mit diesen Worten verließ der Diener weinend den Fremdling.
Allein gelassen, brach Herakles in keine Klagen aus, sondern der Held hatte schnell einen Entschluß gefaßt. ›Retten muß ich‹, sprach er zu sich selbst, ›diese Gestorbene, sie wieder einführen in das Haus des Gatten; anders kann ich seine Gunst nicht würdig vergelten. Ich gehe an das Grabmal; dort harre ich des Thanatos, des Totenbeherrschers. Ich finde ihn wohl, wie er kommt, das Opferblut zu trinken, das ihm über dem Denkmal der Verstorbenen gespendet wird. Dann springe ich aus dem Hinterhalte hervor, ergreife ihn schnell, umschlinge ihn mit den Händen, und keine Macht auf Erden soll ihn
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