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Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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blühenden Granatbäume zeichneten sich in runden Linien vom blauen Himmel ab, und durch die Zweige schimmerte das Meer mit einem fernen Eiland, halb im Dunste verschwommen.
    Hamilkar blieb stehen, als er Salambo erblickte. Sie war ihm nach dem Tod mehrerer Knaben geboren worden. Zudem galt die Geburt von Töchtern in allen Ländern der Sonnenanbetung für ein Unglück. Später hatten ihm die Götter zwar noch einen Sohn geschenkt, aber von seiner Enttäuschung und von dem Fluch, den er über seine Tochter ausgesprochen hatte, war etwas in seiner Seele verblieben. Inzwischen kam Salambo heran.
    Perlen von verschiedener Färbung hingen in langen Trauben von ihren Ohren auf die Schultern herab bis an die Ellbogen. Ihr Haar war so gekräuselt, dass es wie eine Wolke aussah. Um den Hals trug sie kleine viereckige Goldplättchen. Auf jedem war eine Frau zwischen zwei aufrecht stehenden Löwen abgebildet. In allem glich ihre Kleidung der der Göttin. Ihr hyazinthenblaues Gewand mit weiten Ärmeln schloss sich eng um ihre Hüften und erweiterte sich nach unten. Der Zinnober auf ihren Lippen ließ ihre Zähne weißer schimmern, und das Antimon in ihren Wimpern machte ihre Augen größer. Ihre Sandalen, aus Vogelbälgen geschnitten, hatten hohe Absätze. Offenbar vor Kälte war Salambo sehr blass.
    Endlich erreichte sie Hamilkar, und ohne ihn anzublicken, ohne den Kopf zu erheben, sprach sie zu ihm: „Heil dir, Götterliebling! Unsterblichen Ruhm dir, Sieg, Muße, Zufriedenheit und Reichtum! Lange war mein Herz traurig und das Haus voller Sehnsucht. Doch der Herr, der heimkehrt, strahlt wie die Sonne im Lenz, die wieder Auferstandene; und unter deinem Blick, Vater, wird Freude und neues Leben überall erblühen!“
    Und indem sie aus Taanachs Händen ein kleines längliches Gefäß nahm, in dem eine Mischung von Mehl, Butter, Paradieskörnern und Wein dampfte, fuhr sie fort: „Trink in vollen Zügen den Trank der Heimkehr, den deine Magd dir bereitet hat!“
    Er erwiderte: „Segen über dich!“ und ergriff mechanisch die goldene Schale, die sie ihm darbot. Dabei musterte er sie mit so scharfem Blick, dass sie verwirrt stammelte: „Man hat dir gesagt, Herr ...“
    â€žJa, ich weiß“, versetzte Hamilkar leise.
    War das ein Geständnis oder meinte sie die Barbaren? Er fügte ein paar inhaltslose Worte über die Not der Stadt hinzu, der er unbedingt ein Ende setzen wolle.
    â€žAch, Vater!“ rief Salambo aus. „Was dahin ist, ist dahin! Unwiederbringlich!“
    Da wich er zurück. Salambo aber staunte über seine Bestürzung. Sie hatte keineswegs Karthago im Sinn und natürlich nicht ihre Jungfernschaft, sondern den Tempelraub, als dessen Mitschuldige sie sich fühlte. Der Mann, vor dem Armeen zitterten, den sie selber kaum kannte, war ihr unheimlich wie ein Gott. Er hatte alles erraten, er wusste alles!
    â€žGnade!“ rief sie.
    Hamilkar senkte langsam das Haupt.
    Obwohl sie sich selbst beschuldigen wollte, wagte sie doch nicht die Lippen zu öffnen. Dabei erstickte sie das Bedürfnis, sich zu beklagen und getröstet zu werden. Hamilkar kämpfte gegen den Drang, seinen Schwur zu brechen. Er hielt ihn aus Stolz oder aus Furcht, den Trost der Ungewissheit zu verlieren. Durchbohrend schaute er Salambo ins Antlitz, um zu ergründen, was sie in der Tiefe ihres Herzens verbarg.
    Von der Wucht dieses Blickes erdrückt, ließ Salambo mehr und mehr den Kopf sinken und seufzte tief auf. Jetzt war er überzeugt, dass sie in der Umarmung eines Barbaren schwach geworden war. Er bebte und hob beide Fäuste empor. Sie stieß einen Schrei aus und sank in die Arme ihrer Frauen, die sich eifrig um sie bemühten.
    Hamilkar drehte sich auf den Absätzen herum. Die Schar der Verwalter folgte ihm nach.
    Man öffnete das Tor des Speichers und betrat einen weiten runden Saal, von dem, wie die Speichen eines Rades von der Nabe, lange Gänge ausliefen, die zu anderen Sälen führten. In der Mitte erhob sich eine Art steinernes Podium mit Einlagerungen für die Kissen, die auf den Teppich herab geglitten waren.
    Der Sufet ging anfangs mit großen raschen Schritten auf und ab. Er atmete geräuschvoll, stampfte mit dem Fuß auf den Boden und fuhr sich mit der Hand über die Stirn, wie ein Mensch, der von Fliegen geplagt wird. Dann schüttelte er das Haupt, und beim Anblick

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