Salomes siebter Schleier (German Edition)
doch jedes Objekt im Wohnzimmer könnte es bezeugen. Sicher, die Objekte, die das Kellergeschoss in der Kathedrale bewohnten, hatten die Story vom Weihnachtsmann nie geschluckt, egal, wie oft die Händler sie abgelassen hatten. Sie waren am Weihnachtsmorgen in aller Herrgottsfrühe auf den Beinen, allerdings nicht, um nach Geschenken oder Konsumgütern Ausschau zu halten, sondern weil sie gespannt waren, ob Turn Around Norman auch an diesem Feiertag auf seinem Posten erscheinen würde.
Zu ihrer Überraschung kam er tatsächlich. Und obgleich die Fifth Avenue, von dem einen oder anderen Penner oder obdachlosen Verrückten abgesehen, verlassen dalag, blieb er den ganzen Tag, wie eine Wabe aus Hartgummi, die sich auf einer Bienenachse dreht. Nie hatten die Objekte ihn mit größerer Anmut und Leidenschaft seine Kreise ziehen sehen. Er dehnte sich auf schier unglaubliche Art aus und zog sich dann wieder zusammen, wie Butter, die schmilzt und erstarrt, musikalische Butter, ein Butterklümpchen mit Harmonikazungen, das die Reise vom Kühlschrank zur Pfanne und zurück mehrmals in der Sekunde macht. Er legte die Zeit ab, als wäre sie eine Hose. Er faltete die Zeit zusammen und legte sie über die Stuhllehne, dann spazierte er hosen- und schamlos herum und schnüffelte an der nie verwelkenden Rose. Er drehte sich wie ein radioaktiver Wurm in Bernstein, wie ein Haufen phosphoreszierendes Plankton im Darm einer an Verstopfung leidenden Seeschlange.
Hätten sie Hände gehabt, die Objekte hätten applaudiert. «Wirklich nicht übel», erklärte Dirty Sock, und die anderen nickten.
Sie spekulierten, dass die Stille und der Frieden diese außerordentliche Leistung bewirkt und es Turn Around Norman ermöglicht haben mussten, seine Grenzen zu transzendieren und sich zu drehen, wie sie es noch nie erlebt hatten, langsamer und dennoch intensiver. Ohne das Gedränge der Menge, ohne den Spott der Kritiker, ohne die rauschende, verpestete Brandung des Verkehrs war er möglicherweise konzentrierter und weniger angespannt. Dann bemerkten sie noch etwas anderes. An diesem Tag arbeitete Turn Around Norman zum ersten Mal ohne seine Sammelbüchse.
«Es ist Weihnachten», sagte Can o’ Beans. «Weihnachten, da tritt er umsonst auf.»
«Ja», nickte Conch Shell. «Als wäre die Vorstellung ein Geschenk. Nur für wen, das ist die Frage.»
«Ich wünschte, Miss Charles wäre hier und könnte ihn sehen», sagte Can o’ Beans.
«Teufel auch, das wär was», stimmte Dirty Sock zu. «Vielleicht würde das zerzauste Flittchen mit der unmöglichen Frisur uns unser Löffelchen wiederbringen.»
Wie auf ein Codewort hin wandten sich ihrer aller Gedanken Spoon zu. Wo und wie verbrachte Spoon wohl diesen Weihnachtstag? Wenn je ein unbelebtes Objekt an den Weihnachtsmann geglaubt hatte, dann wohl Spoon.
Spoon dachte ebenfalls an sie. Buddy schien es notwendig zu finden, sich in einen langen Vortrag über den Felsendom zu stürzen, um klarzustellen, warum er Boomer ermutigt hatte, in Jerusalem zu bleiben, und ihm obendrein einen «Geheimauftrag» erteilt hatte. «So also sieht der Tempelberg heutzutage aus», sagte Spoon zu einem fassungslosen Aschenbecher. «Warten Sie nur, bis ich das meinen Freunden erzähle.»
«Wisst ihr, was der Felsendom is?», fragte Buddy.
Patsy schüttelte verneinend ihre Locken.
«Ein überdachtes Stadion auf Gibraltar», versuchte es Verlin, «wo die Mittelmeermeisterschaften ausgetragen wer’n.»
«Ich habe Mr. Hadee davon sprechen hören», sagte Ellen Cherry. «Er muss was mit Jerusalem zu tun haben.»
«Ganz recht, es is der verdammte
Mittelpunkt
von Jerusalem», erklärte Buddy. «Er steht oben auf’m Tempelberg, da wo früher die hebräischen Tempel von Salomon und Herodes gestanden ham, wo der jugendliche Jesus die Rabbis ausgetrickst hat und so weiter. Im siebten Jahrhundert beherrschten diese durchtriebenen A-raber diesen Teil der Welt und bauten ’ne ziemlich kostspielige Moschee auf den Ruinen von Herodes’ Tempel, sogar zwei Moscheen, um genau zu sein, und die größere, die von oben bis unten blau gekachelt is, mit der auffälligen goldenen Kuppel obendrauf, tauften sie Felsendom. Es is das erste verfluchte Ding, das man zu Gesicht kriegt, wenn man nach Jerusalem reinkommt.
Na, also dieser Felsendom is das drittwichtigste Heiligtum der islamischen Religion. Warum? Weil der alte Mohammed hoch und heilig geschworn hat, dass Gott ihn vom Tempelberg aus zu ’nem kleinen Ausritt in den Himmel
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