Salomes siebter Schleier (German Edition)
Arbeiten nicht ins Kunst- und Antiquitätenhaus von Westchester geben will.
Ellen Cherry brachte keine neuen Bilder in die Galerie, nicht mal einen von Boomers Akten (oh, wie gern hätte sie Ultimas Gesicht gesehen), aber sie zerbrach sich wochenlang den Kopf über das Angebot. Nachts lag sie wach und grübelte über seine Vor- und Nachteile.
Sollte sie sich wieder als Künstlerin betrachten? Konnte man sich aussuchen, ob man Künstler war oder nicht? Waren in der Kindheit erst bestimmte Einflüsse in Gang gesetzt, dann war man Künstler oder nicht, und wenn man einer war, konnte man sich aussuchen, ob man ausstellen wollte oder nicht, ja sogar, ob man malen wollte oder nicht. Oder anders gesagt: Man konnte sich einer Karriere als Künstler widersetzen, ein Leben als Künstler ablehnen und trotzdem Künstler sein. Wirklich? Oder war das nur Semantik? Den Verfechtern des Egalitarismus zufolge hatte jeder Mensch künstlerisches Talent. Für die Hobby-Ebene mochte das stimmen. Na und? Zwar wollten viele Leute gern davon träumen, Künstler zu werden, doch war ihr aufgefallen, dass die meisten keine Künstler
sein
wollten. Eine Freundin in Seattle hatte mal zu ihr gesagt: «Ich würd alles darum geben, so malen zu können wie du», und Ellen Cherry hatte mit einem Anflug von Überheblichkeit geantwortet: «Ich
habe
alles gegeben.»
Talent war nur die Grundlage. Um Künstler zu sein, musste man auch Nerven haben. Und um die Nerven zu behalten, brauchte man Ansporn. Offenbar hatte sie ihren Antrieb verloren. Doch wenn sie ihn wirklich verloren hatte, warum quälte sie sich dann so? Außerdem, wenn es unmöglich war, seine Künstlerhaut abzustreifen, wie sehr man sich auch drehte und wendete, war es dann nicht nur vernünftig, finanziellen Nutzen daraus zu ziehen, sich entspannt zurückzulehnen und seinen bescheidenen Erfolg zu genießen? Oder war es gerade diese «Bescheidenheit» (angesichts von Boomers Triumph), die ihr so zu schaffen machte?
So ging es Nacht für Nacht, bis sie schließlich verzweifelt nach dem Vibrator griff, um sich ein wenig abzulenken.
Gleichzeitig, allerdings weitaus weniger intensiv, brütete sie über Buddy Winkler. Kurz nach den Weihnachtsfeiertagen hatte sie Roland Abu Hadee beiseitegenommen und gefragt, was passieren würde, wenn ein paar Fanatiker den Felsendom angreifen und zerstören würden.
«Krieg», hatte Abu nüchtern geantwortet. «Es würde zum Krieg kommen.»
«Sie meinen, die Moslems würden zum Gegenschlag gegen Synagogen und so ausholen?»
«Nein», sagte Abu. «Ich meine richtigen Krieg. Syrien, Libyen, Iran, der Libanon, wahrscheinlich Jordanien, Ägypten und Saudi-Arabien und womöglich sogar weit entfernte Nationen wie Pakistan und Indonesien würden zum Krieg aufrufen, zum Dschihad, zum Heiligen Krieg gegen Israel. So empfindlich sind die Moslems in Bezug auf den Felsendom. Jeder von ihnen wäre bereit, dafür zu sterben. Die Israelis wären dermaßen in der Minderzahl, dass sie gezwungen wären, die Atombombe einzusetzen. In diesem Fall würden wahrscheinlich die GUS -Staaten die islamischen Länder mit Atomsprengköpfen versorgen. Was mit ziemlicher Sicherheit auch Amerika hineinziehen würde. O ja, die Zerstörung der Moscheen auf dem Tempelberg hätte einen riesigen Donnerschlag zur Folge. Die Polkappen würden scheppern wie Dosendeckel und Babys schon bei der Geburt nach Schwefel stinken. Der Terror würde von innen nach außen gekehrt. Das Ei des Feuers wäre endlich ausgebrütet. Armageddon. Oder der dritte Weltkrieg, ganz wie Sie wollen.»
Kaum hatte Abu die Küche verlassen, da stürzte Ellen Cherry zum Telefon und wählte Buddys Nummer. Normalerweise hätte sie nicht den Mumm dazu gehabt, aber sie war durcheinander, und es störte sie auch nicht, dass es schon nach Mitternacht war.
«Ummmmm.»
«Hallo, Onkel Buddy?»
«Kleines. Grad hab ich von dir geträumt. Oder so ’nem andern hübschen Zuckerpüppchen.»
«Hör zu, Onkel Bud. Ist dir eigentlich klar, was passieren würde, wenn der Felsendom zerstört würde?»
Natürlich war es das. Ungeachtet der Tatsache, dass er im Schlafanzug steckte, eine Pflegemaske auf seine Pusteln aufgetragen hatte und sich den Schlaf wie Anchovispaste aus den Augen reiben musste, es war ihm klar. «Es würd den letzten Kampf zwischen Gut und Böse auslösen, der laut Prophezeiung vor der Wiederkunft Christi und der Erlösung der Menschheit stattfinden soll. Halleluja. Amen. Wie viel Uhr isses eigentlich?»
«Es
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