Samtschwarze Nacht - Dodd, C: Samtschwarze Nacht - Into the Shadow (Darkness Chosen 03)
gewahrte sie lediglich den dunklen Schatten einer vorüberziehenden Wolke.
Seltsam. Sie hätte schwören mögen, dass da irgendwas gewesen war. Und dieses Etwas schlich durch das Gras und verfolgte sie.
Unmöglich. Es war bestimmt bloß der Wind, der durch die Wiesenblumen wogte.
Trotzdem sträubten sich ihr sämtliche Nackenhaare.
Sie lief weiter, bog um einen Felsen herum und kam rutschend zum Stehen.
»Hilfe, nein«, flüsterte sie.
Der Pfad schlängelte sich entlang einem Hang und verjüngte sich zu einem schmalen, von losem Geröll übersäten Grat, der etwa siebzig Meter steil in die Tiefe abfiel. Unten, in der Schlucht, leckte ein reißender Strom an den Steinen - keine besonders verlockende Aussicht. Dagegen war der Horrorsprung von Warlords Plattform ein Kinderspiel gewesen.
Sie hatte Höhenangst. Sie wusste schon länger um dieses Handicap. Ihr Vater zog sie gelegentlich damit auf. Meist hatte sie ihre Ängste zwar unter Kontrolle, aber dieses eine Mal nicht. Zumal sie einem Verrückten entkommen musste. Und sich einbildete, verfolgt zu werden, auch wenn das wahrscheinlich gar nicht zutraf.
Sie holte tief Luft, schmiegte sich mit dem Rücken
an den Hang und setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, den Blick starr geradeaus gerichtet, auf das Ende des Felskamms, wo der Weg breiter wurde. Um nicht zu hyperventilieren, bemühte sie sich, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Der Windzug kühlte ihre heiß verschwitzten Wangen. Hoffentlich war sie schwindelfrei. Lieber Gott, bitte, mach, dass mir nicht schwindlig wird. Was, wenn sie in die Schlucht stürzte? Und womöglich noch tagelang lebte, ihre inneren Organe zerfetzt, ihre Knochen zerschmettert, mit ohnmächtigen Schmerzen … wie ihre Mutter …
Die Vorstellung war entsetzlich. Hellauf in Panik hatte sie plötzlich Halluzinationen.
Sie glaubte tatsächlich, dass jemand hinter ihr auf dem Weg stand. Jemand blies ihr seinen heißen Atem in den Nacken.
Sie drehte den Kopf unendlich vorsichtig zur Seite, wie in Zeitlupe.
Warlord stand da, ein zürnender Rachegott, blitzte er Karen vernichtend an.
Nein..O nein. Es war ihr unbegreiflich. Wie hatte der Kerl es geschafft, sie so schnell zu finden?
»Du würdest lieber sterben … als mit mir zusammen zu sein?«, wollte er wissen.
»Na, was meinst du denn?« Ihre Aufmüpfigkeit war unwillkürlich und völlig deplatziert.
In seinen dunklen Tiefen flammte es blutrot auf, und er knirschte: »Ich denke, du hast einen fatalen Fehler gemacht.« Er packte sie.
Für einen langen bitteren Moment glaubte sie, er würde sie eiskalt in den Tod stürzen. Sie würde sterben,
so wie sie noch jedes Mal in ihrem Albtraum gestorben war.
Stattdessen wirbelte er sie mit einer geschmeidigen Bewegung zurück auf die andere Seite und drückte sie zu Boden. Ihre Wange streifte das Gras, ihre Augen füllten sich mit Tränen,Tränen der Enttäuschung.
Sie blinzelte sie hastig weg. Atmete tief durch und fasste sich sogleich wieder.
Karen Sonnet weinte nicht. Sie klagte nicht und sie jammerte auch nicht.
Mist, ihr Fluchtversuch war kläglich gescheitert. Egal, welche Strafe er ihr aufbrummte, sie würde sie locker hinnehmen - und bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit wieder fliehen.
Er hob sie hoch und wirbelte sie herum, als wäre sie leicht wie ein Schmetterling. Dann bog er Karen die Arme auf den Rücken, kaltes Metall schnappte um ihre Handgelenke.
Handschellen.
Er stellte sie auf die Füße und schob sie den Pfad hinauf, den sie eben mühsam hinuntergekraxelt war. Karen schwankte zwischen Rebellion, Panik - und der grenzenlosen Erleichterung, dass sie nicht mehr weiter über diesen gefährlich schmalen, ausgebrochenen Felskamm balancieren musste.
Was sagte das über sie aus? Sie wollte es lieber nicht wissen. »Jetzt hör mir mal gut zu«, muckte sie abermals auf.
»Wenn wir wieder im Lager sind.« Warlord ging so dicht hinter ihr, dass sie seinen glühenden Zorn geradezu körperlich fühlte, quasi als verschmorte ihre
Haut. Er hielt sie an den Armen fest und dirigierte sie über den Weg.
»Ich möchte nicht zurück ins Lager.«
»Das ist aber verdammt schade.« Er ging ein bisschen zu schnell für sie, stieß mit seinen Knien gegen die Rückseiten ihrer Oberschenkel, dass sie stolperte.
»Die Vorstellung, dass du ein Verbrechen aus Leidenschaft begehen könntest, ist ja lachhaft. Als wenn du sooo heiß auf mich wärest!«
»Dann bist du dümmer, als ich dachte.«
Sie wirbelte auf dem schmalen Weg
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