Samurai 3: Der Weg des Drachen
wünschte Jack niemandem, nicht einmal seinem schlimmsten Feind. Bei einer früheren Begegnung mit Drachenauge hatte Jack die schrecklichen Qualen am eigenen Leib erfahren. Ein Feuer in den Adern, das sich wie ein Waldbrand ausbreitete, und ein Gefühl, als wollte das Herz aus der Brust springen. Außerdem meinte man zu ersticken, weil die Lunge allmählich versagte. Ein Druck, der immer stärker wurde, als müsste die Brust gleich explodieren.
»Aber im Unterschied zu dir dürfte er nicht überleben«, sagte Drachenauge. Er zog den zur Seite gefallenen Kopf Pater Bobadillos an den Haaren hoch.
Die Augen des Paters waren dunkelrot geädert und sprangen fast heraus.
Jack hörte ein leises Plumpsen wie von einem Stein, der in einen Teich fällt. Im nächsten Moment kam ein Schwall Blut aus dem Mund des Jesuiten.
Pater Bobadillo sank wie eine Puppe auf den Boden.
Jack war über den schrecklichen Tod seines Feindes entsetzt, doch er zwang sich zu handeln, bevor er das nächste Opfer des Ninjas wurde. Hastig ergriff er das Buch auf dem Tisch und rannte aus dem Studierzimmer in den Gebetsraum.
Auf seiner rechten Seite sah er die geschlossene Schiebetür. Die Tür neben dem Altar stand dagegen offen.
Da Drachenauge ihm auf den Fersen folgte, floh er durch die offene Tür.
Er gelangte in einen verlassenen Korridor, bei dem es sich offenbar um den privaten Zugang Pater Bobadillos zu Satoshis Räumen handelte. Auf dem Boden lagen feine Strohmatten, die Wände waren aufwendig gestaltet. Der ganze Trakt schien vom restlichen Turm abgetrennt. Nur eine einzige Treppe führte nach oben.
Jack rannte hinauf. Dicht hinter sich hörte er die gedämpften Schritte des Ninjas.
54
Rache
Kanonen- und Brandkugeln flogen pfeifend so dicht an Jack vorbei, dass er die Hitze auf der Haut spürte. Er stand auf einem Balkon, von dem aus man ganz Osaka überblickte. An jedem anderen Tag hätte ihn die Aussicht vom obersten Stock des Turms begeistert. Sie reichte weit über die Stadt und die Tenno-ji-Ebene hinaus bis zum Meer, das in der Ferne glitzerte.
Doch an diesem Abend sah er überall nur Zerstörung und Elend. Ein großer Teil des Burggeländes stand in Flammen. Überall auf den brennenden Bastionen lagen Leichen. Die Feinde hatten die Mauern überrannt und schossen mit Kanonen und Arkebusen auf den Turm. Unter Jack waren die Roten Teufel durch das Tor zum inneren Hof vorgestoßen und lieferten sich erbitterte Zweikämpfe mit Satoshis Soldaten, die das letzte Bollwerk verteidigten.
Im Gegensatz dazu war das private Besprechungszimmer im siebten Stock des Turms eine Oase der Ruhe. Das von eleganten, freistehenden Lampen beleuchtete Zimmer mit seinen dunklen Holzbalken war mit Blattgold verziert. Ein großes Gemälde schmückte die Wände. Es zeigte einige Samuraifürsten bei der Jagd, bei der Meditation und beim Teetrinken unter grünbelaubten Bäumen und erinnerte an eine friedlichere Zeit.
In Satoshis privatem Zimmer im siebten Stock hatte Jack den Thronanwärter und seine Gefolgsleute tot angetroffen. Zeichen für einen Kampf gab es keine, doch die Strohmatten waren blutgetränkt und neben jedem Toten lag dessen Schwert. Satoshi hatte angesichts der bevorstehenden Niederlage seiner Armee den einzigen ehrenhaften Weg eingeschlagen, der einem besiegten Samuraifürsten offenstand, und seppuku begangen. Seine Gefolgsleute waren ihm pflichtschuldig in den Tod gefolgt und hatten sich ebenfalls mit ihren Schwertern den Bauch aufgeschlitzt.
»Du entkommst mir nicht«, sagte Drachenauge aus dem Zimmer hinter Jack. »Gib mir das Buch.«
»Nein!« Trotzig steckte Jack den Portolan ein.
»Ich will Daimyo Kamakura nicht enttäuschen. Gib es mir sofort!«
»Wenn Sie wirklich Tatsuo sind«, beharrte Jack trotzig, »warum helfen Sie dann Daimyo Kamakura? Er hat Sie am Nakasendo verraten.«
»Er bereut das inzwischen«, erwiderte Drachenauge heftig. »Und er hat Wiedergutmachung geleistet, indem er für mich Krieg führt.«
»Für Sie?«, rief Jack erstaunt.
Drachenauge nickte stolz.
»Aber er führt Krieg, um die Christen und Ausländer aus Japan zu vertreiben.«
»Das sind Daimyo Kamakuras Ziele«, sagte Drachenauge. »Für mich geht es um Rache.«
»Gegen wen?«
»Masamoto.« Der Ninja spuckte den Namen förmlich aus.
Jack sah ihn entgeistert an. »Sie müssen verrückt sein. Sie stürzen Japan aus persönlichen Rachegelüsten in einen Bürgerkrieg?«
»Masamoto hat meinen Sohn getötet!«, rief Drachenauge. Zum ersten Mal
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