Samurai 3: Der Weg des Drachen
grinste stolz.
Jack brauchte einen Augenblick, um zu verstehen, was geschehen war.
Er hatte den legendären Schwertmeister Masamoto Takeshi entwaffnet. Er hatte einen perfekten Herbstblattschlag ausgeführt.
»Endlich!«, murmelte er fassungslos. »Ich beherrsche die Technik der beiden Himmel.«
Doch der Zweikampf war nicht vorbei. Masamoto hatte noch sein Kurzschwert.
Bevor Jack seinen Vorteil ausnützen konnte, hatte Masamoto das kurze Übungsschwert bereits anders gepackt und es auf Jack geworfen. Das Heft traf ihn schmerzhaft gegen die Brust. Er stolperte zurück, blieb mit der Ferse am Rand des Podests hängen und stürzte zu Boden.
»Du bist tot«, stellte Masamoto fest und beendete den Zweikampf.
»Aber da s …«, protestierte Jack keuchend, »da s … war kein Schwertkamp f … Sie haben das Schwert geworfen.«
»Vom Berg zum Meer«, erwiderte Masamoto ungerührt. »Um deine doppelte Abwehr zu durchbrechen und doch noch zu siegen, musste ich die Taktik ändern und dich überrumpeln. Anders ausgedrückt, ich musste vom Berg auf das Meer wechseln. Lerne daraus, junger Samurai.«
Jack stand auf und gab Masamoto das Kurzschwert zurück.
»Ich freue mich, dass du den Herbstblattschlag jetzt auch beherrschst, aber verwechsle nicht eine einzelne Schlagtechnik mit dem Kampfstil der beiden Himmel«, fügte Masamoto streng und ohne zu lächeln hinzu.
Jack verbeugte sich zum Zeichen seiner Zustimmung. Er hatte sich von einem kurzfristigen Erfolg mitreißen lassen und es war natürlich töricht zu glauben, er beherrsche damit die ganze Technik.
»In Wirklichkeit geht es bei der Technik der beiden Himmel nicht nur um den Umgang mit zwei Schwertern«, fuhr Masamoto an die ganze Klasse gewandt fort. »Das Wesentliche dabei ist der Wille zu siege n – egal mit welchen Mitteln und Waffen. Wenn ihr das versteht, seid ihr auf dem Weg zur Meisterschaft.«
Der Schnee war geschmolzen und die morgendliche Frühjahrssonne hatte die Einwohner von Kyoto auf die Straßen gelockt. Jack und Yamato hatten sich zum Yabusame-Unterricht verspätet und drängelten hastig durch die Menge. Auf dem Marktplatz herrschte eine angespannte, gereizte Stimmung. Käufer eilten gehetzt von Stand zu Stand und deckten sich mit Vorräten ein. Monatelang hatte Ruhe geherrscht, doch Gerüchten zufolge hatte sich Kamakuras Armee jetzt in Marsch gesetzt und viele Menschen trafen für den Fall eines Krieges Vorsorge.
»Wie geht es mit der Technik der beiden Himmel voran?«, fragte Yamato.
Jack hatte nicht mit der Frage gerechnet. Yamato mied dieses Thema gewöhnlich. Trotz seiner Erfolge in den anderen Unterrichtsfächern erinnerte es ihn immer daran, dass er die Erwartungen seines Vaters nicht erfüllt hatte.
»Gut und schlecht«, antwortete Jack. »Ich habe gerade herausgefunden, dass nicht nur Geschicklichkeit, sondern auch strategisches Denken eine Rolle spielt.«
Plötzlich fuhr eine Hand aus einer kleinen Gasse und packte ihn am Arm. Jack rechnete sofort mit einem erneuten Überfall eines ronin und rief Yamato zu Hilfe. Zugleich drehte er instinktiv die Hand um und nahm den Angreifer in den Hebelgriff. Der Mann fiel auf die Knie und bat wimmernd um Gnade. Im nächsten Moment stand Yamato mit gezogenem Schwert neben ihm.
»Tötet mich nicht!«, flehte der Mann, der auf dem Boden kauerte. »Ich will euch nichts tun.«
»Was willst du dann?«, fragte Yamato.
Der Mann trug einen schmutzigen, zerschlissenen Mantel mit Kapuze. Sein Gesicht war ausgemergelt, die Augen blutunterlaufen und tief in die Höhlen eingesunken. Etwas anderes fiel freilich noch mehr auf: Er war kein Japaner.
»Ic h … bin Bruder Juan de Madrid«, stammelte er mit unüberhörbar spanischem Akzent. »Ein Franziskaner von der Kirche des heiligen Franziskus in Edo. Ich habe den Jungen hier gesehen und dachte, er könnte mir helfen.«
»Inwiefern?«, fragte Jack. Warum befand der Mönch sich in einem so erbärmlichen Zustand?
»Du bist Europäer. Ich dachte, du kommst vielleicht von einem spanischen oder portugiesischen Schiff.«
»Nein, mich hat ein Schiffbruch hierherverschlagen. Ich bin Engländer.«
»Engländer!«, rief der Mönch erschrocken. Jack nickte. »Egal. In diesen schrecklichen Zeiten müssen wir uns helfen, statt einander zu bekriegen. Ich komme wie gesagt aus Edo im Norden. Ich habe dort viele Jahre gelebt und hatte eine treue Gemeinde, von der jetzt nichts mehr übrig is t … nicht s …«
Tränen waren ihm in die Augen getreten.
»Komm mit zur
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