Samurai 3: Der Weg des Drachen
schnurgeraden Reihen in die Ferne. Laut Masamotos Schätzung waren an die zweihunderttausend Mann vor den Mauern der Burg versammelt.
Jack stand zusammen mit den anderen jungen Samurai auf dem inneren Mauerring. Nie im Leben hätte er damit gerechnet, dass ihre Gegner so viele Kanonen besaßen. Woher hatte Kamakura sie? Satoshis Truppen besaßen keine schweren Geschütze und konnten das Feuer nicht erwidern. Wenn sie ein Schiff wären, dachte Jack, wären sie schon längst gesunken. Den massiven Steinmauern konnten die Kanonenkugeln dagegen nichts anhaben.
In den Feuerpausen rannten Daimyo Kamakuras Soldaten gegen die Tore der Burg an. Sie wurden allerdings jedes Mal zurückgeschlagen. Katapulte auf den Mauern schleuderten den Angreifern gewaltige Steinbrocken und Brandkugeln entgegen. Pfeilhagel rissen große Lücken in die Reihen der vorrückenden ashigaru. Wer es trotzdem bis zur Burg schaffte, musste als Nächstes den Burggraben überqueren. Die meisten wurden bei dem Versuch getötet, auf Flößen hinüberzurudern oder den Graben zum Überqueren aufzuschütten. Die wenigen Samurai, die es bis zum Fuß der Mauern schafften, standen vor der aussichtslosen Herausforderung, den steilen Sockel hinaufzuklettern. Sie wurden durch Pfeile oder Arkebusenschüsse getötet, mit kochendem Öl überschüttet oder mit Steinen erschlagen, die durch die Maueröffnungen auf sie geworfen wurden.
Die Burg von Osaka schien uneinnehmbar.
Schnell wurde klar, dass Daimyo Kamakura sich wohl oder übel auf eine längere Belagerung einlassen musste.
»Wie lange können wir aushalten?«, fragte Yori und lugte ängstlich über die Brüstung. Seine Stimme zitterte.
»Monate, vielleicht sogar ein Jahr«, antwortete Taro.
»Du meinst, der Proviant reicht so lange?«, fragte Jack. Es gab in der Burg zwar viele Nahrungsmittelspeicher, aber bei hunderttausend Mann gingen alle Vorräte rasch zur Neige.
»Ich würde mir keine zu großen Sorgen machen. Wenn es ganz hart kommt, haben wir immer noch die Matten auf dem Boden. Sie sind auch essbar.«
Er grinste Jack an, aber seine Augen blickten ernst. Jack merkte, dass er nicht scherzte.
»Hoffentlich kommt es nicht so weit«, sagte Takuan, der steif neben Emi und Akiko stand. Seine gebrochene Rippe machte ihm immer noch zu schaffen. »Daimyo Kamakura sieht sicher bald ein, dass er keine Chance hat, und gibt auf.«
»Aber seine Armee ist doppelt so groß wie unsere!«, rief Yori schrill. Eine Kanonenkugel schlug in den Turm neben ihnen ein und er duckte sich erschrocken.
»Um das ausnützen zu können, müsste er uns in die offene Schlacht nach draußen locken«, erwiderte Taro, von der Kugel völlig unbeeindruckt. »Aber solange die Mauern halten, haben wir keinen Grund, die Burg zu verlassen.«
»Soviel ich gehört habe, ist Daimyo Kamakura schon jetzt am Ende seiner Weisheit«, sagte Emi. »Laut meinem Vater hat er heute Morgen versucht, Daimyo Yukimura durch einen Boten zu bestechen. Der Bote sollte Daimyo Yukimura als Belohnung für seinen Seitenwechsel die Provinz Shinano in Aussicht stellen! Daimyo Yukimura hat natürlich sofort abgelehnt.«
»Aber herrscht in Shinano nicht Kazukis Vater?«, fragte Takuan.
»Doch.« Emi lachte. »Daraus schließen wir ja, dass Daimyo Kamakura ziemlich verzweifelt sein muss.«
Yamato kniff die Augen zusammen. »Wenn ich Kazuki je wieder begegne, verliert er noch viel mehr als nur eine Provinz«, schnaubte er.
Jack überlegte, wo Kazuki stecken mochte. Masamoto hatte ihn suchen lassen, man hatte ihn aber nicht gefunden. Die Schüler sprachen nicht mehr über seinen Verrat, aber er blieb im allgemeinen Bewusstsein wie ein Splitter unter der Haut, der sich entzündet hat.
Sensei Hosokawa war hinter ihnen auf der Brüstung erschienen. »Wegtreten!«, befahl er. »Ihr sollt ins Quartier kommen.«
Die Schüler versammelten sich im Hof. Jede Einheit wurde von einem Sensei angeführt.
Vor ihnen stand mit ernstem Gesicht Masamoto.
»Ich habe euch zusammengerufen, um eine Angelegenheit von größter Wichtigkeit zu besprechen.«
Jack wechselte einen besorgten Blick mit Akiko und Yamato. Meinte Masamoto den Einbruch? Die drei hatten in dem allgemeinen Aufruhr, den das Eintreffen von Daimyo Kamakuras Armee verursacht hatte, unbemerkt in ihr Quartier zurückkehren können. Pater Bobadillo blieb freilich eine Bedrohung. Er wusste, dass jemand in seinem Zimmer gewesen war, und Jack war davon überzeugt, dass der Pater ihn verdächtigte. Er hatte ihm genau
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