Samurai 3: Der Weg des Drachen
den Vorwand geliefert, den er brauchte, um ihn unglaubwürdig zu machen. Hatte der Pater mit Masamoto gesprochen?
»Ein Krieg steht unmittelbar bevor und wir müssen darauf gefasst sein, dass wir kämpfen werden.«
Yori begann zu zittern wie ein Blatt.
»Wir werden kämpfen wie ein Mann«, rief Masamoto und marschierte, die Hand auf die Scheide seines Schwertes gelegt, an den Reihen der Schüler entlang.
»Nicht der leiseste Zweifel darf euch verunsichern. Vertraut einande r – bedingungslos.«
Masamoto blieb vor Jacks Reihe stehen, holte tief Luft und schien einen Augenblick lang mit seinen Gefühlen zu kämpfen. Jack begann zu schwitzen. Jetzt steckte er ernsthaft in Schwierigkeiten.
»Ein Mitschüler hat durch sein verräterisches Tun die Moral unserer Schule untergraben.«
Jack tat einen stummen Seufzer der Erleichterung. Offenbar hatte man sie wegen Kazukis Verrat zusammengerufen.
»Angesichts der bevorstehenden Kämpfe ist dies sehr gefährlich. Sensei Yamada, bitte stehen Sie unseren jungen Samurai mit Ihrer Weisheit bei.«
Sensei Yamada trat auf seinen Stock gestützt schlurfend vor.
»Jeder Baum hat einen schlechten Apfel, aber das bedeutet nicht, dass der ganze Baum faulig ist.« Er zwirbelte beim Sprechen das Ende seines langen, grauen Barts zwischen den Fingern und seine sanften Worte drangen auf geheimnisvolle Weise durch den Krach und das Donnern der Kanonen. »Eine Zeit der Prüfung wie diese stärkt die Wurzeln unserer Kraft als Schule.«
Er trat zu Akiko. »Deinen Köcher, bitte.«
Verwirrt nahm Akiko ihren Köcher vom Rücken. Sensei Yamada zog einen Pfeil heraus und gab ihn Yamato.
»Zerbrich ihn.«
Yamato sah ihn entgeistert an, aber Sensei Yamada nickte auffordernd. Vor den Blicken der anderen nahm Yamato den Pfeil in die Hände und brach ihn mühelos entzwei.
Daraufhin nahm Sensei Yamada drei Pfeile aus dem Köcher und gab sie ihm. »Zerbrich alle drei auf einmal.«
Yamato bat Akiko mit einem stummen Blick um Entschuldigung dafür, dass er gleich noch mehr ihrer kostbaren, mit Falkenfedern bestückten Pfeile kaputt machen würde. Er begann zu drücken, doch die hölzernen Schäfte gaben nicht nac h – nicht einmal, als er das Knie dagegenstemmte. Wie sehr er sich auch anstrengte, die Pfeile wollten nicht zerbrechen. Sensei Yamada bedeutete ihm, seine Versuche einzustellen.
»Ein Samurai allein ist wie ein einzelner Pfeil«, erklärte er und gab Akiko den Köcher zurück. »Er kann töten, aber man kann ihn auch zerbrechen.«
Er hielt die drei Pfeile hoch.
»Nur indem wir unsere Kräfte vereinigen, sind wir stark und unbesiegbar. Denkt daran, Schüler der Niten Ichi Ryu. Ihr seid durch die sieben Tugenden des Bushido auf ewig miteinander verbunden.«
»Hai, Sensei!«, brüllten die Schüler, vom Gemeinschaftsgeist beseelt. »Lang lebe die Niten Ichi Ryu!«
Die Mauern des Burghofs warfen den Schrei zurück. Im selben Augenblick verstummten draußen die Kanonen.
41
Mondschau
»Kachi guri?«, fragte Yori. Sein Gesicht strahlte im hellen, weißen Schein des Vollmonds. Er hielt Jack einen kleinen Teller mit braunen Nüssen hin.
Jack lehnte sich gedankenverloren über eine Brücke des Teegartens und betrachtete die friedlich unter ihm schwimmenden goldenen Karpfen.
»Das sind getrocknete Kastanien«, fügte Yori hinzu und steckte sich eine in den Mund. »Kachi bedeutet außerdem Sieg. Deshalb hat Seine Hoheit sie für die Feier heute Abend gestiftet. Wir haben gesiegt, Jack! Wir haben gesiegt, ohne kämpfen zu müssen!«
Jack freute sich mit Yori und musste über dessen Begeisterung und Erleichterung lächeln. Er aß eine Kastanie. Sie schmeckte süß wie der Sieg.
Vor einer Woche waren die Kampfhandlungen eingestellt worden. Daimyo Kamakura hatte die Vergeblichkeit seines Vorhabens eingeräumt, die Burg von Osaka zu erobern, und ein Friedensangebot unterbreitet. Unerwartet reuevoll hatte er zugesichert, die Anhänger Satoshis nicht mehr zu überfallen, die Herrschaft Seiner Hoheit nicht mehr herauszufordern und den Feldzug gegen die »ausländischen Invasoren« einzustellen. Er hatte das Dokument sogar mit einem kappan gesiegelt, einem blutigen Abdruck seines Fingers, der das Abkommen unantastbar und bindend machte.
Die Bewohner der Burg waren über diese Wendung der Dinge erstaunt und verwirrt. Vor allem Masamoto wollte nicht recht daran glauben, dass ihr Gegner so leicht aufgab. Die Feindseligkeiten hatten doch eben erst begonnen. Vorsichtig wie immer bestand er darauf,
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