Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Titel: Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
machen –«
    »Gewiß, gewiß«, sagte die Hoheit huldvoll, »wir können keine Verzögerung brauchen. Das könnte zu internationalen Mißverständnissen führen und einen großen Schriftwechsel wegen Ellis Island zur Folge haben. Ärgerlich, wenn wir den Prozeß verschieben müßten – schreckliches Theater, nicht? Unsere Sekretäre schleppen uns ständig neue Schriftstücke wegen weiterer Polizeikräfte und Sitzgelegenheiten zur Unterschrift an. Viel Glück, Wimsey! Kommen Sie, essen Sie einen Happen, während Ihre Papiere fertig gemacht werden. Wann legt Ihr Schiff ab?«
    »Morgen früh, Sir. Ich will in einer Stunde den Zug nach Liverpool erreichen – wenn ich kann.«
    »Sie werden«, sagte der Botschafter wohlwollend, während er ein Schriftstück unterschrieb. »Und da heißt es, die Engländer hätten es nie eilig.«
    So stach Seine Lordschaft, versehen mit allen notwendigen Papieren, andern Morgens von Liverpool aus in See und überließ es derweil den Juristen, alternative Verteidigungsstrategien auszuarbeiten.
    »Dann die Peers, zu zwei und zwei in ihrer Reihenfolge, beginnend mit dem jüngsten Baron.«
    Der Erste Wappenherold, erhitzt und verwirrt, sprang unglücklich zwischen den rund dreihundert britischen Peers herum, die sich verlegen in ihre Roben zwängten, während die Herolde ihr Möglichstes taten, die Versammelten aufzustellen und davon abzuhalten, wieder durcheinander zu laufen, wenn sie einmal standen.
    »So eine Farce!« grollte Lord Attenbury verärgert. Er war ein sehr kleiner, untersetzter Herr von cholerischem Temperament, und es ärgerte ihn, daß er ausgerechnet neben dem Graf von Strathgillan und Begg zu stehen kam, einem ungewöhnlich hochgewachsenen, hageren Edelmann mit entschiedenen Ansichten zur Prohibition und zur Legitimationsfrage.
    »Sagen Sie mal, Attenbury«, ließ sich ein freundlicher Peer mit rotem Gesicht und fünf Reihen Hermelin auf der Schulter vernehmen, »stimmt es, daß Wimsey noch nicht wieder da ist? Meine Tochter erzählt mir, daß er in die Staaten gereist ist, um Beweise aufzutreiben? Wieso in die Staaten?«
    »Weiß ich nicht«, sagte Attenbury, »aber Wimsey ist ein blitzgescheiter Bursche. Als er diese Smaragde von mir wiederfand, wissen Sie, da habe ich gesagt –«
    »Euer Gnaden, Euer Gnaden!« rief einer der Herolde verzweifelt und stürzte sich ins Gewühl. »Euer Gnaden sind wieder aus der Reihe.«
    »Wie, was?« fragte der rotgesichtige Peer. »Menschenskind! Muß wohl Anweisungen befolgen, wie?« Und damit wurde er von den schlichten Earls fortgezogen und neben den Herzog von Wiltshire gestellt, der stocktaub und mit Denver entfernt verschwägert war.
    Die Königliche Galerie war zum Bersten gefüllt. Auf den Plätzen unterhalb der Gerichtsschranke, die für die Damen der Peers reserviert waren, saß die Herzoginwitwe von Denver, wundervoll gekleidet und trotzig. Sie litt sehr unter der unmittelbaren Nähe ihrer Schwiegertochter, deren Unglück es war, unausstehlich zu werden, wenn sie Kummer hatte – vielleicht der schwerste Fluch für den Menschen, der zum Leiden geboren ist.
    Unten im Saal, hinter einem imponierenden Aufgebot von Verteidigern in Allongeperücken, waren Plätze für die Zeugen reserviert, und dort war auch Mr. Bunter untergebracht – um auszusagen, falls die Verteidigung es für nötig hielt, das Alibi vorzubringen –, während die meisten Zeugen in der Königlichen Garderobe zusammengepfercht saßen, sich auf die Finger bissen und einander anstarrten. Oberhalb der Gerichtsschranke befanden sich auf beiden Seiten die Bänke für die Peers, von denen jeder de facto und de jure ein Richter war, während auf dem hohen Podest der große Staatssessel für den Großhofmeister bereit stand.
    Die Reporter an ihrem kleinen Tischchen begannen schon unruhig zu werden und auf die Uhr zu sehen. Durch Mauern und Stimmengesumm gedämpft fielen elf langsame Schläge des Big Ben in die Spannung. Eine Tür ging auf. Die Reporter sprangen von ihren Sitzen; die Verteidiger erhoben sich; alle standen auf; die Herzoginwitwe konnte sich nicht enthalten, ihrer Nachbarin zuzuflüstern, das Ganze erinnere sie an die Stimme, die über Eden wehte; und die Prozession strömte langsam herein, angeleuchtet von den Strahlen der Wintersonne, die durch die hohen Fenster hereindrangen.
    Das Verfahren wurde eröffnet mit einem Aufruf um Ruhe durch den Zeremonienmeister, wonach der Königliche Gerichtsschreiber, am Fuße des Throns kniend, dem Großhofmeister *

Weitere Kostenlose Bücher