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Schädelrose

Schädelrose

Titel: Schädelrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Reinkarnationspatienten gibt,
aber nur eine weitere bekannte Blutsverwandtschaft. Im Datennetz
sind jedoch Hunderte von Verbindungen registriert, bei denen es
sich nicht um Verwandtschaften, sondern um zufällige
Beziehungen handelt. Leute, die zufällig im selben
isolierten Urwalddorf lebten. Leute, die im Abstand von einer
Generation in der gleichen römischen Legion dienten. Leute,
die miteinander auf Bergmärkten Handel trieben, die sie
jeden Mond einmal mit dem Maulesel besuchten. Hunderte von
zufälligen Gemeinsamkeiten. Vierhundertzwölf, um genau
zu sein, jedenfalls bis vor einer Stunde.«
    »Und?« Carolines Lippen fühlten sich hart
an.
    »Und wie viele Menschen haben sich weltweit dieser
Operation in den knappen zwanzig Jahren ihrer Existenz
unterzogen, was meinen Sie?«
    Caroline schüttelte den Kopf. Sie hatte das vage
Gefühl, daß die Zahl in der einführenden
Holovideo-Präsentation am ersten Abend genannt worden war,
aber sie konnte sich nicht daran erinnern.
    »Nicht einmal zehntausend – von den vier
Milliarden Menschen, die gegenwärtig auf der Erde leben,
oder den fünf Milliarden, die vor vierzig Jahren lebten, vor
der ersten Seuche. Und trotzdem weist das Netz bei all den
Milliarden früheren Leben vierhundertzwölf
zufällige Überschneidungen und einhundertsechzehn
Blutsverwandtschaften mit einem einzigen Menschen auf. Das ist
statistisch unmöglich, wenn der Zufall der bestimmende
Faktor ist. Also kann es kein Zufall sein.«
    »Was wollen Sie damit sagen? Was ist es dann?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Shahid leise.
»Aber fünf Milliarden Leben bedeuten ein erhebliches
Wachstum. Vor hundert Jahren waren es nur halb so viele. Vor
fünfhundert Jahren nur ein Bruchteil davon. Fünf
Milliarden vergleichsweise neuer Erinnerungen – das ist
eine gewaltige lebendige Masse, die da im
Übergedächtnis anschwillt.«
    »Aber das ist nicht…«
    Shahid unterbrach sie erneut. Seine eh schon leise Stimme
wurde so leise, daß Caroline sich vorbeugen mußte, um
ihn zu verstehen. »Und die Reinkarnationsoperation hat ihm
einen Weg nach draußen geöffnet.«
    Caroline stand auf. Sie ging drei Schritte zur Tür,
wandte sich um, machte wieder kehrt, gelangte bei der Tür an
und kam dann zu Shahid zurück. Ihre Stimme klang in ihren
eigenen Ohren angespannt und höhnisch. »Und das soll
Gott sein? Ist das nicht ein bißchen rückständig,
Patrick? Sollte Gott – wenn es denn so etwas gibt –
nicht vor den Menschen dagewesen sein und nicht etwas, was wir jetzt zur Welt bringen?«
    Shahid antwortete nicht. Caroline fuhr stürmisch fort:
»Und es ist allzu einfach, Ihre Analogie zu verändern.
Sie sind Jesuit, Patrick – Sie wissen, daß eine
Analogie kein Beweis ist. Nehmen Sie Physik statt Theologie.
Nennen Sie es den Großen Knall statt eine Geburt. Eine
kritische Masse von Erinnerungen, und sie explodiert. Ist das
nicht genauso stichhaltig wie irgendeine Theorie über
Gott?«
    »Eine Explosion ist eine Geburt, eine Geburt ist eine
Explosion«, erwiderte Shahid. »Beide schaffen einen
neuen Mittelpunkt für die Welt. Und nichts bleibt so, wie es
war.«
    »Nicht alle Explosionen führen zu einem
Ichbewußtsein! Warum soll man es >Gott< nennen, um
Himmels willen? Damit sagt man doch, daß es ein mit
Ichbewußtsein begabtes Wesen ist, das die Dinge nicht
aufgrund der physikalischen Gesetze des Zufalls geschehen
läßt, sondern sie mit seinem Willen und aus bestimmten
Beweggründen heraus steuert, die sich auf die Ereignisse
auswirken…« Sie brach erschrocken ab.
    »Einhundertdreiundvierzig Verbindungen kommen nicht
zufällig zustande«, sagte Shahid.
    »Aber warum gerade Timmy?« rief
Caroline.
    Shahid stand auf. In den Buntglasfenstern hinter ihm war die
Sonne aufgegangen. Shahid war eine dunkle, von leuchtenden Farben
eingefaßte Silhouette. »Ich weiß es nicht,
Caroline. Ich weiß nicht, warum es gerade Robbie Brekke
ist. Ich kann mir nur vorstellen, daß eine kritische Masse
ein erstes Atom braucht, um zu zünden, und daß
für eine Geburt eine erste, winzige Bewegung in den
Geburtskanal hinein nötig ist – alles muß
irgendwo anfangen. Und wenn wir Ihre Analogie des Zufalls
zugrunde legen, warum nicht Robbie Brekke?«
    »Als ein Geburtskanal für Gott? Patrick, Sie
kennen Robbie! Er ist ein Dilettant, ein charmanter Romantiker
ohne jede Moral, ein Abenteurer, der bei jedem Abenteuer Mist
baut und es erst merkt, wenn es zu spät

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