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Schattenjahre (German Edition)

Schattenjahre (German Edition)

Titel: Schattenjahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Jordan
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Annäherungsversuche unternahm. Falls sie überhaupt ausging, dann nur mit Mädchen – und auch das nur dann, wenn man sie nicht mit Jungen zusammenbringen würde.
    Nur ein einziges Mal wurde sie von einem männlichen Wesen berührt, auf der Party, die eine Schulfreundin anlässlich ihres achtzehnten Geburtstages gab. Da wurde Faye von einem Jungen überrumpelt, der sie ungeschickt umarmte und zu küssen versuchte. Sie versteifte sich, wie gelähmt vor Furcht und Ekel. Glücklicherweise war er zu unerfahren, um ihre Gefühle zu bemerken, und ließ sie sofort los, als sie ihn wegstieß. Danach ging sie sofort nach Hause, sperrte sich im Bad ein, duschte und schrubbte ihren Körper, bis die Haut fast wund war.
    Vor diesem Zeitpunkt hatte sie sich nicht gestattet, an die Zukunft zu denken, an das Leben, das sie führen würde. Nun tat sie es zum ersten Mal. Sie lag im Bett, und im Licht der Nachtlampe – sie ertrug die Dunkelheit nicht – blickte sie der Wahrheit ins Auge. Niemals würde sie so sein wie die anderen Mädchen, niemals flirten, niemals sexuelle Experimente wagen. Mit einem Mann zu schlafen – allein schon diese Worte weckten wilden Zorn in ihrem Herzen.
    Keine ihrer Freundinnen, die kichernd von ihren Abenteuern mit Jungs erzählten, ahnten auch nur, was Sex in Wirklichkeit war, wie schmutzig und erniedrigend. Wie konnte eine Frau so etwas wünschen und genießen?
    Faye war ein intelligentes Mädchen. Sie las viel; was sollte sie auch mit ihrer Zeit anfangen, wenn sich die anderen Mädchen mit Jungs trafen und sie selbst ganz allein war? Sie wusste, dass ihre Einstellung zu Sex und zu Männern von ihren schrecklichen Erlebnissen beeinflusst wurde. Was sie in Romanen las und von anderen hörte, konnte nicht alles erfunden sein. Aber bei dem Gedanken, ein Mann würde jemals dasselbe mit ihr tun wie früher der Stiefvater, wurde ihr übel. Aber am schlimmsten waren ihre Schuldgefühle, der zerstörerische Glaube, sie selbst trage die Verantwortung für die Ereignisse, hätte sie irgendwie herausgefordert, wäre schlecht und verworfen. Offenbar stimmte es doch, was der Stiefvater in ihrem Bett gestöhnt und geflüstert hatte – sie sei ein böses Mädchen, und dafür müsse er sie bestrafen.
    Auf der Universität bemerkten andere Leute zum ersten Mal Fayes Abneigung gegen die Männer. Sie erfuhr, was man über sie sagte – sie sei frigide oder lesbisch. Da zog sie sich noch mehr von ihrer Umwelt zurück, konzentrierte sich nur noch auf ihre Examen.
    In Fayes letztem Studienjahr kamen ihre Pflegeeltern bei einem Autounfall ums Leben. Sie trauerte, weil sie wusste, wie viel sie ihnen bedeutet hatte, empfand aber nicht mehr als ein distanziertes Bedauern. Darin lag ihr Problem – sie war einfach unfähig, etwas zu spüren, außer Ekel, Angst und Zorn.
    In ihrem letzten Jahr an der Universität kündigte einer ihrer Tutoren. Jeremy Catesby, sein Nachfolger, war fünfunddreißig, verheiratet, der Vater zweier kleiner Kinder. Von Anfang an fühlte sie sich in seiner Gegenwart unbehaglich, ohne zu wissen, warum. Nichts in seinem Verhalten wirkte bedrohlich. Im Gegensatz zu gewissen anderen Tutoren machte er keinen Hehl aus seinem Ehestand. Familienfotos schmückten seinen Schreibtisch, und er sprach voller Zuneigung von seiner Frau und den Kindern.
    Fayes Studienkolleginnen beobachteten ihn verträumt und erörterten, wie es wohl wäre, mit ihm ins Bett zu gehen. Wie immer bei solchen Diskussionen schwieg sie. Er beriet sie jeweils am Morgen bei ihren Studien, und sie begann diese Stunden zu fürchten, war aber bestrebt, ihr Abschlussexamen mit Auszeichnung zu bestehen. Sie würde ein erstklassiges Zeugnis brauchen, um einen guten Job zu bekommen. Immerhin musste sie ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Eine Ehe war ausgeschlossen, ebenso die Mutterschaft …
    Diese letztere Erkenntnis tat weh, aber sie verbot sich, darüber nachzugrübeln. Der Verstand sagte ihr, als Vierzehnjährige hätte sie ihr Baby unmöglich zur Welt bringen können. Die Entscheidung des Arztes und der Sozialarbeiterin war richtig gewesen. Und doch wusste sie, dass sie sich im Grunde ihres Herzens immer nach einem Kind sehnen würde. Nicht wegen jenes Babys, das abgetrieben worden war, sondern weil das Bedürfnis, ein Kind zu beschützen und großzuziehen, zu ihrem Wesen gehörte. Dass ihr die Erfüllung dieses Wunsches verwehrt bleiben sollte, schürte ihre Wut und Bitterkeit.
    Das Tutorium verlief zunächst reibungslos. Sie war

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