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Schattenkrieger: Roman (German Edition)

Schattenkrieger: Roman (German Edition)

Titel: Schattenkrieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luke Scull
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darstellte, missfiel ihr, aber sie musste dies nicht mehr lange ertragen. Yllandris war die bevorzugte Geliebte Magnars, des Königs der Hohen Klippen, und wenn die Geister ihr gewogen waren, dann würde sie, noch ehe ein Jahr vergangen war, als Königin und Gefährtin neben ihm im Großen Langhaus sitzen.
    Sie schob das Bärenfell vor dem Eingang ihrer Hütte zur Seite und trat in die Morgenluft hinaus. Der eisige Wind erfasste sie sofort und blies ihr Schneeflocken ins Gesicht, bis die Haut vor Kälte prickelte, wo sie gerade noch geschwitzt hatte. So weit das Auge reichte, lag Herzstein unter einer Schneedecke. Die Hauptstadt, zugleich die größte Ansiedlung in den Hohen Klippen, war nach dem nächtlichen Niederschlag ein weißes Meer, aus dem sich hier und dort die Hütten und Langhäuser als Hügel und Höcker erhoben. Der hohe Palisadenzaun, der die Stadt zum gefrorenen Dragursee hin abschirmte, erhob sich drohend aus dem dichten Nebel.
    Yllandris spürte, wie die feuchte Kälte an ihren nackten Beinen emporkroch. Die Stiefel versanken im Schnee, der bis fast zu ihren Knien reichte. Sie achtete nicht weiter darauf, denn sie war eine Hexe und eine Tochter des Hochlandvolks. Die verweichlichten Gecken im Tiefland mochten angesichts solcher Beschwernisse verzagen, aber sie war aus härterem Holz geschnitzt. Außerdem kam es nicht infrage, vor den Brüdern schwach zu erscheinen.
    Es waren acht. Gaern hatte sie auf dieser Jagd angeführt. Er hockte vor dem Rudel auf seinen mächtigen Keulen und keuchte schwer. An der Schnauze hing gefrorenes Blut, aber Yllandris konnte nicht erkennen, ob es seines war oder von einem anderen Geschöpf stammte.
    Sie kniff die Augen zusammen. Ein riesiges Silberschwein lag vor ihr, der Kopf war in den Schnee gesunken. Das Tier atmete flach, auf der linken Flanke hatte es eine gezackte und anscheinend recht tiefe Wunde. Ein Wunder, dass es den Weg bis Herzstein überhaupt geschafft hatte.
    Es dauerte einen Moment, bis ihr der Name des Wesens wieder einfiel. Thorne. Er gehörte seit zwanzig Jahren zu den Brüdern. Als er transzendiert war, hatte er bereits graue Haare gehabt und war selbst nach den Maßstäben der ältesten Krieger in den Hohen Klippen ein Greis gewesen. Für ein Wildschwein, denn mit diesem Tier hatte sich der Hochländer im schamanischen Ritual verbunden, war er unglaublich betagt.
    »Wer hat dir dies angetan?«, knurrte sie. Von der Spitze der Schnauze bis zum Ende des Schwanzes maß Thorne gut drei Schritte, und er wog sicherlich fünfhundert Pfund. Selbst ein Rudel Hochlandkatzen wäre davor zurückgeschreckt, ein so starkes Geschöpf anzugreifen – und besonders, wenn sie die menschliche Intelligenz hinter den Augen aufblitzen sahen.
    Yllandris legte Thorne eine Hand auf den riesigen Kopf. Bei den Hochländern war die Kunst des Gedankenschürfens so gut wie nutzlos, aber die Brüder waren keine Menschen mehr. Die natürliche Widerstandskraft, die ihr Volk gegenüber geistigen Angriffen besaß, ging verloren, sobald der Betreffende transzendierte.
    Bilder entstanden in ihrem Kopf. Sie sah Riesen, hässliche schlurfende Kreaturen, anderthalbmal so groß wie Menschen, die primitive Keulen und Äxte aus Holz und Stein schwangen. Die Brüder waren auf einem Höhenzug oberhalb eines mit Kiefern bewachsenen Tals auf sie gestoßen. Trotz ihrer Größe und Kraft waren die Riesen unterlegen und von den schnellen und klugen Angreifern rasch bezwungen worden. Yllandris konnte beobachten, wie ein Keulenhieb Gaerns Schnauze traf, worauf er sich mit mächtigem Brüllen erhob und die Arme um den Riesen schlang, der ihn geschlagen hatte. Der transzendierte Bär packte den Hals des Gegners mit seinen mächtigen Kiefern und riss ihm die Kehle heraus, bis das Blut in hohem Bogen spritzte.
    Einige andere Brüder hatten geringfügige Verletzungen davongetragen, doch die Begegnung mit den Riesen war kaum mehr als eine unerfreuliche Ablenkung gewesen. Sie hatten es nicht auf diese Feinde abgesehen.
    Yllandris schürfte tiefer und konzentrierte sich. Einzelne Erinnerungen tauchten auf: verschneite Täler und gefrorene Flüsse, eine Elchherde, die erschrocken das Weite suchte, als die Brüder vorbeikamen. Dann sah sie es und konnte ein Keuchen nicht unterdrücken. Es war unglaublich groß und überragte sogar Gaern. Eine geschmeidige, echsenartige Abscheulichkeit mit schwarzer Haut, Fledermausflügeln und Krallen, die an Sicheln erinnerten. Das Wesen hatte ihnen aufgelauert, als sie einen

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