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Schattennetz

Schattennetz

Titel: Schattennetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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versucht haben, die Dinge zu beleuchten.« Ihre Stimme klang energisch. »Ich werde nichts dulden, was dem Ansehen der Kirche Schaden zufügt. Andererseits sollten Sie bedenken, dass es überall Menschen gibt, die ihre eigenen Schwächen und Stärken haben.«
    Häberle nickte. »Das ist bei der Polizei nicht anders«, sagte er zustimmend, um dann zur Sache zu kommen: »Sie haben also etwas erfahren, das Sie uns heute noch mitteilen wollten?«
    »Ja. Ich muss Sie allerdings bitten, dies alles äußerst diskret zu behandeln. Ich will nicht, dass nachher behauptet wird, ich hätt jemanden angeschwärzt. Oder dass dies morgen so in der Zeitung steht.«
    »Keine Sorge. Wir sind jetzt ganz unter uns und was hier gesprochen wird, dringt nicht nach draußen.«
    »Dann will ich Ihnen mal was sagen«, fuhr die Dekanin jetzt noch eine Stufe entschlossener fort. »Uns interessiert in erster Linie der Herr Korfus. Als Mitglied des Kirchengemeinderats muss er über jeden Verdacht erhaben sein – egal, in welche Richtung. Ich hab nach dieser Prügelei … ja, sagen wir ruhig Prügelei … im Martin-Luther-Haus viel zu lange abgewartet. Viel zu lange – und das muss ich mir jetzt selbst vorwerfen. Wir haben ihn zwar zu einer Stellungnahme aufgefordert, doch hat er dann nur eine ziemlich allgemein gehaltene Erklärung abgegeben. Ich hab sie schriftlich – dort in den Akten.« Sie deutete auf ein Regal. »Dann wollten wir heute vor einer Woche, am Donnerstag, ein klärendes Gespräch, weshalb wir auch Herrn Simbach zu einer Sitzung eingeladen hatten. Dass der zu diesem Zeitpunkt bereits tot war, konnten wir nicht wissen.«
    Häberle spürte eine innere Ungeduld, versuchte aber, sie zu dämpfen. »Deshalb haben Sie über Herrn Korfus Informationen eingeholt?«
    »Über die Kirche in Bischofswerda, ja. Niemand weiß dort so genau, wann Korfus wieder aus Berlin zurückgekehrt ist. Es muss aber im Juni oder Juli 1989 gewesen sein. Wenig später ist er in der Evangelischen Kirche groß in Erscheinung getreten. Das hat viele Menschen verwundert, weil er doch als äußerst strammer SEDler gegolten hat, von dem man in seiner Heimatgemeinde wenig gewusst hat. Manche vermuten sogar noch heute, dass er bei der Staatssicherheit eine führende Rolle gespielt haben könnte. Allerdings finden sich wohl keine genauen Akten über ihn.« Die Dekanin verzog ihr Gesicht zu einem ihrer seltenen Lächeln. »Da hat wohl jemand bei der Wende ganze Arbeit geleistet. Und doch gibt es eine interessante Aussage, die irgendwo zitiert wird.« Sie suchte in den Papieren auf ihrem Schreibtisch nach einer Notiz und las vor: »Er hat die Aufgabe ohne Emotionen ausgeführt. Was immer das heißen mag. Aber wenn so etwas in den Akten Erwähnung findet, dann muss es eine Aufgabe gewesen sein, bei der das Nichtvorhandensein von Emotionen sehr bemerkenswert und demnach so wichtig war, dass es sich in einer Bewertung der Person Korfus’ niederschlägt.«
    »Sie wissen aber nicht, was damit gemeint war?«
    »Leider nein, Herr Häberle. Aber man kann sich so seine Gedanken machen«, beließ sie es bei Andeutungen. »Jedenfalls scheint Herr Korfus umgeschwenkt zu sein, politisch, mein ich. Vielleicht hat er rechtzeitig erkannt, dass das Regime am Ende war und es geraten erschien, sich so schnell wie möglich auf die Seite des Guten zu schlagen. So ist es den Menschen in Bischofswerda aufgefallen.«
    Sie schob ihren Zettel wieder in den Dokumentenstapel zurück.
    Häberle ärgerte sich über die Kollegen in der Oberlausitz. Wären diese kooperativer gewesen, hätten diese Erkenntnisse längst in die Arbeit der Sonderkommission einfließen können.
    »In dieser Zeit kam auch Simbach ins Spiel. Die beiden kannten sich von Kindheitstagen an, doch haben sich ihre Wege getrennt. Korfus machte irgendwie in der Partei oder bei der Stasi Karriere, während Simbach nach dem Wehrdienst ein kleiner Elektriker wurde. Unscheinbar und unbedeutend, wie es heißt. Er stand wohl auch im Schatten seines Bruders Anton, der ein gefürchteter Stasispitzel gewesen sein soll, eine Art Blockwart in einem dieser Plattenbauten, wo jeder jeden bespitzelt und das Gehörte weitergemeldet hat. Wir haben keine Ahnung, wie sich die Menschen gegenseitig denunziert haben.« Die Dekanin lehnte sich zurück, was ihr Stuhl mit bedrohlichem Ächzen quittierte. »Und wie viele Protokolle sie angefertigt haben. Wer irgendwo ein Gespräch belauscht hatte, sei es durch die Wand oder wie auch immer, hat das sofort

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