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Schattennetz

Schattennetz

Titel: Schattennetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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angesichts der stattlichen Statur der Frau eine direkte Konfrontation unter allen Umständen vermeiden wollte.
    Während der Güterzug seinen Höllenlärm verbreitete, stieg er zur ersten Etage hinauf, wo die Treppe ohne eine Tür direkt in den Flur mündete. Dort fiel der Strahl der Taschenlampe auf ein Schild, das den Weg zum Dekanatsamt nach rechts wies.
    Der Mann nutzte die Geräuschkulisse des Güterzugs, um über den Holzboden des Flurs bis zur Bürotür vorzudringen und diese zu öffnen. Er hatte es geschafft. Sanft drückte er hinter sich die Tür ins Schloss und ließ den Halogenstrahl durch den Raum zucken. Das Licht traf auf schwer beladene Bücherregale, auf Aktenordner und Papierberge. Wo um Gottes willen sollte er hier suchen? Wenn es Akten gab, die belastend waren, dann müsste er stundenlang blättern und lesen. Natürlich konnte er auf gut Glück einige Ordner mitnehmen – aber welchen Sinn hätte dann die ganze Aktion gemacht, wenn es die falschen Dokumente waren?
    Es gab nur eine einzige sichere Methode, schoss es ihm durch den Kopf, während die Hände bereits in den Taschen der Hose und anschließend im leichten Sommerjackett nervös etwas suchten. Wenn er die Akten schon nicht mitnehmen konnte, dann mussten sie an Ort und Stelle vernichtet werden. Noch einmal ließ er den Halogenstrahl durch den Raum blitzen. Es bedurfte sicherlich keiner großen Anstrengung, all das Papier und das trockene Zeug zu entflammen, dachte er und ging am Regal mit den Aktenordnern entlang, auf denen Aufschriften wie ›Kirchengemeinderat‹, ›Tagesordnungen‹ oder ›Vorlagen‹ standen. Er schätzte, dass es zwei Dutzend solcher Ordner im Regal gab. Und auf dem Schreibtisch lagen kreuz und quer buntfarbene Schnellhefter.
    Er löschte seine Lampe und verharrte für eine halbe Minute in dem Büro, durch dessen Fenster diffuses Licht der Straßenbeleuchtung fiel. Es konnte dem Mobiliar keine Farbe geben. Der Mann schätzte, dass die Wohnung der Theologin drei, vier Zimmer weiter entfernt lag. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht rechtzeitig erwachen würde, so versuchte er sich einzureden, war zwar gering, dennoch schlug sein Gewissen Alarm. Denn wenn ihr tatsächlich etwas zustoßen würde, könnten ihm die Juristen einen üblen Strick draus drehen: versuchten Mord oder gar vollendeten. Irgendwo hatte er einmal gelesen, dass ein Brandstifter stets mit der Anwesenheit von Menschen rechnen müsse, weshalb seine Tat dann auch als Mord zu werten sei.
    Er wollte diesen Gedanken verdrängen, doch es gelang ihm nicht. Schon spürte er, wie er sich selbst darüber ärgerte. Dann fasste er einen Entschluss: Er würde zwar ein Feuer legen, aber die Bewohnerin wecken und erst flüchten, wenn sichergestellt war, dass ihr nichts geschehen konnte. So würde man ihm keinen Mord vorwerfen können. Vorausgesetzt, es lief alles glatt und geriet nicht außer Kontrolle.
    In einer der vielen Taschen seiner Freizeithose hatte er gefunden, was er suchte: ein Feuerzeug. Jetzt von seinem Plan überzeugt, ging er zum Schreibtisch, griff in den Stapel der vielen Zettel und Dokumente, zerknüllte eine Hand voll und erschrak über das laute Rascheln, das er damit verursachte. Beim zweiten Mal versuchte er deshalb, einige Blätter geräuschlos zu falten und über die zerknüllten Papierbällchen auf dem Schreibtisch zu legen. Er wiederholte diese Prozedur zehnmal, bis die gesamte Schreibtischplatte mit Papier übersäht war. Zuletzt fischte er einige Ordner aus dem Regal und garnierte damit die Ränder der imaginären Brandfläche.
    Im Geiste malte sich der Mann aus, welches Inferno in wenigen Minuten losbrechen würde. Und welchen Großeinsatz von Polizei und Feuerwehr dies auslösen würde. Dann wars mit der Ruhe in dieser Kleinstadt vorbei. Aber auch mit allen angeblichen Beweisen und Schriftstücken, die in diesem Büro ganz gewiss gesammelt worden waren.
    Der Mann stand mit dem Rücken zur Tür, als er zum Feuerzeug griff, es ein-, zwei-, dreimal drückte und knipste, dabei zwar Funken stoben, aber keine richtige Zündung zustande kam. Er bückte sich tiefer zur Schreibtischplatte, wo er das Feuerzeug nun direkt zwischen den Papierknäueln zur Zündung bringen wollte. 4-, 5-mal derselbe Versuch. Erneut Fehlanzeige.
    Noch ein Versuch. Während er sich erneut abmühte und Schweißperlen auf der Stirn spürte, hatte er nicht bemerkt, dass hinter ihm die Bürotür langsam aufgedrückt wurde. Im Rahmen war eine stattliche Person erschienen.

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