Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
hatte er versprochen, nicht wiederzukommen, aber er konnte nicht anders, denn wenn er sich geweigert hätte, würde er mehr verlieren als sein Leben. Er zwang sich zu einem heiteren Lachen und prostete den Wachen zu. Die Soldaten starrten ihn an, offenbar unschlüssig, was sie von seiner seltsamen Rede halten sollten, und er hoffte, dass die beiden jungen Leute die Gelegenheit endlich ergreifen und verschwinden würden.
Plötzlich rief der Hauptmann: » Gut gesprochen! Aber Ihr seid wohl der Einzige, der unser Atgath für ein Juwel hält, Pilger.« Er lachte und hob nun ebenfalls sein Glas.
Ured verneigte sich und sah, dass die Köhlertochter mit ihrem Begleiter schon fast an der Tür war, als plötzlich der Leutnant rief: » Ela Grams, was macht Ihr denn hier im Henker?«
Unter dem Vorwand, ihn überraschen zu wollen, hatte die Baronin ihren Mann im Quartier zurückgelassen und sich von einem der Diener hinunter in die Kellergewölbe der Burg führen lassen. Sie war beinahe zufrieden mit dem bisherigen Verlauf der Dinge, aber der » Freund«, den Rahis Almisan jetzt in der Stadt suchte, bereitete ihr Kopfzerbrechen. Er war also nicht tot, obwohl das nach seinem Versagen eigentlich das Mindeste war, was man erwarten konnte, aber darüber konnte sie sich später Gedanken machen. Sie war in Atgath, in der Burg, und nun würde die lange und sorgfältige Vorbereitung schnell Früchte tragen – oder aber alles würde in einem fürchterlichen Fehlschlag enden. Es war ein Gang auf Messers Schneide, und ihr war bewusst, dass auf dem Weg zum Ziel noch etliche schwierige Hindernisse überwunden werden mussten. Es fiel ihr schwer, ihre Anspannung zu verbergen.
Ihr Mann war gekränkt und verwirrt, weil sein Bruder sie nicht empfangen wollte, aber Beleran war ein ahnungsloses Schaf, er wusste nicht, was hier vorging, und sie würde dafür sorgen, dass es so lange wie möglich auch so blieb. Der gefährlichste Gegner in dieser Burg, das war ihr klar, war Nestur Quent. Die Begrüßung durch den alten Zauberer war ziemlich frostig ausgefallen, beinahe schon unhöflich. Sie hatte von Baron Beleran genug über den berühmten Meister Quent gehört, um zu wissen, dass sie ihn nicht für ihre Sache würde gewinnen können. Der alte Zauberer hatte schon dem Vater und dem Großvater von Herzog Hado gedient, war ehrlich und treu bis ins Mark und interessierte sich weder für Gold noch für Frauen, ja, nicht einmal für Macht. Nein, ihn konnte sie nicht für ihre Pläne gewinnen, und deshalb stieg sie hinab in die Katakomben. Es gab ja noch einen zweiten Zauberer in Atgath. Der Diener, der vor ihr herschlurfte, war erst verwundert, dann beinahe bestürzt gewesen, als sie ihn gebeten hatte, sie zu Meister Hamoch zu führen, hatte aber dann doch gehorcht. Und nun waren sie Treppe um Treppe hinabgestiegen, bis sie endlich vor dem Laboratorium des Adlatus anlangten. Der Diener klopfte leise an eine Tür und wartete, bis sie sich einen Spalt weit öffnete. Eine Frau namens Esara trat in die Kammer. Sie verneigte sich zwar ehrerbietig, aber in ihren Augen lag etwas, das die Baronin für kalte Verachtung hielt. Von ihr hatte Shahilas Gemahl nichts erzählt, dennoch schien sie eine besondere Stellung im Umfeld des Zauberers einzunehmen. Sie bat die Baronin mit knapper Geste in einen Raum, wohl einen weiteren Nebenraum des eigentlichen Laboratoriums, und verschwand dann, um ihren Meister zu holen. Der Diener, der sie hergeführt hatte, war längst wieder ziemlich eilig verschwunden.
Shahila nutzte die Wartezeit, um sich umzusehen. Sehr oft konnte sich der Adlatus hier nicht aufhalten, denn es gab nicht einmal einen Schreibtisch, nur einige große Schränke mit vielen beschrifteten Schubladen und zwei hohe Regale, aus denen Bücher und Pergamente quollen. Sie sah sie sich näher an. Einige Titel waren ihr aus der Bibliothek ihres Mannes vertraut, aber einiges war auch in Sprachen geschrieben, deren Buchstaben sie nicht einmal kannte.
» Es ist mir eine große Ehre, Euch kennenzulernen, erlauchte Baronin«, sagte der Adlatus, der beinahe lautlos eingetreten war.
Shahila drehte sich um und lächelte ihn freundlich an. Bahut Hamoch trug einen Arbeitskittel, und sein zu langes Haar lag in wirren Strähnen am Kopf. Ganz offensichtlich störte sie ihn bei wichtiger Arbeit, denn seine ganze Haltung drückte weniger Freude als vielmehr Verdrossenheit aus.
» Aber nicht doch«, beeilte sie sich zu versichern, » die Ehre ist ganz auf meiner Seite,
Weitere Kostenlose Bücher