Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
Offenbar hatte sich das Gerücht ihrer Festnahme in der Stadt wie ein Lauffeuer herumgesprochen, denn als sie durch die Straßen zur Burg geführt wurde, hörte sie die Menschen schon raunen. Man flüsterte, sie sei die Dirne eines Verbrechers, ja, sie sei sogar beteiligt an der Ermordung des armen Apei Ludgar gewesen, möglicherweise mit ihren eigenen Händen. Elas Wange brannte vor Scham und von der Ohrfeige, die ihr der Hauptmann verpasst hatte, und sie hätte sie gerne irgendwie gekühlt.
Plötzlich hielt der Zug an, und sie sah doch auf. Sie hatten das äußere Burgtor erreicht, Aggi machte Meldung, und sie wurden eingelassen. In dem dunklen Vorhof schien es Ela noch kälter zu sein als in der Stadt. Sie fror plötzlich. Dann zogen sie durch das obere Tor zum Innenhof der Burg. Was für eine dunkle Ecke das doch war, es war wie der Grund eines tiefen, sehr tiefen Brunnens. Sie verlor allen Mut. Aggi sprach mit einem anderen Leutnant der Wache, dann übernahm er selbst den Strick, der zu Elas gefesselten Händen führte. » Von hier ab sollte ich es alleine schaffen, Männer. Geht und seht euch in der Stadt um. Doch bleibt immer wenigstens zu dritt, denn der Mann, den wir jagen, ist gefährlich. Gebt Alarm, wenn ihr ihn sichtet, aber greift ihn nicht an, wenn ihr nicht wenigstens zu sechst seid. Habt ihr verstanden?«
» Und was ist mit dem Köhler? Der Hauptmann meinte, wir sollten ihn und seine Söhne verhaften.«
» Darum kümmere ich mich später. Nun geht, ihr habt eure Befehle.«
» Jawohl, Herr Leutnant«, antworteten die Männer. Sie klangen wenig begeistert.
Teis Aggi legte Ela die Hand auf die Schulter und führte sie in ein schmuckloses Nebengebäude. » Augenblick«, murmelte er. Dann fühlte sie plötzlich, dass er ihre Wange mit einem feuchten Tuch reinigte. Überrascht blickte sie auf und sah in seine besorgten Augen. » Danke, Teis«, murmelte sie.
Er richtete vorsichtig ihr zerrissenes Hemd, so gut es eben ging. » Es tut mir leid, dass ich dir das nicht ersparen kann, Ela.«
» Kannst du nicht?«, fragte sie in einer plötzlichen, verzweifelten Hoffnung.
Er schüttelte den Kopf. » Dieser Mann, ich fürchte, er ist sehr gefährlich. Und du warst mit ihm zusammen.«
» Aber ich kenne ihn doch erst wenige Stunden.«
Der Leutnant nickte, als habe er das erwartet. » Woher eigentlich?«, fragte er.
» Er … er tauchte in unserer Hütte auf und fragte nach Arbeit«, behauptete sie schnell. » Und da Vater nicht da war und wir Holzasche an Meister Dorn liefern mussten, habe ich ihn mitgenommen. Ich weiß nicht einmal seinen Namen.«
Aggi sah sie ernst an und wischte ihr noch einmal mit dem Tuch übers Gesicht. » Das ist nicht die ganze Wahrheit, Ela, das merke ich schon. Du hast ihn Anuq genannt, ich habe es gehört. Ich weiß ja, dass deine Familie uns Soldaten hasst, aber dass ihr euch mit einem Schatten einlasst …«
Ela starrte ihn entsetzt an. » Aber ich hasse dich doch nicht!«, rief sie.
Aggi seufzte. » Aber du hasst die Wache, und dein Vater hasst sie noch mehr. Er hasst die Richter, die Zauberer, sogar den Herzog. Das ist allgemein bekannt, denn er erzählt es im Blauen Ochsen jedem, der es hören will oder auch nicht hören will. Was hat er euch gezahlt, der Fremde, dafür, dass ihr ihn in die Stadt schmuggelt?«
Ela bemerkte jetzt die Verbitterung in der Stimme des Leutnants. Er glaubte wirklich, dass sie die Wachen, ja, die ganze Stadt, verraten hätten – und er war persönlich gekränkt. » Gar nichts, er hat uns gar nichts gegeben, und von Schmuggeln war nie die Rede. Und – was ist das überhaupt, ein Schatten?«
Teis Aggi wurde noch ernster. » Mörder sind sie, von einem verbotenen Orden. Sie morden mit Waffen, Gift, Magie und auf jede andere Art, die ihnen einfällt. Aber was rede ich? Du weißt es wohl besser als ich, denn du hast einem von ihnen geholfen.«
Ela starrte ihn mit offenem Mund an. Das war es, was er glaubte?
» Versuche nicht, mich mit deinen großen blauen Augen einzuwickeln, Ela Grams. Früher hättest du für diesen Blick alles von mir bekommen, aber du hast dich anders entschieden, und nun müssen wir beide damit leben.« Er nahm sie am Arm und führte sie eine dunkle Treppe hinab.
» Ich will nicht zu Meister Hamoch«, sagte sie.
» Er untersucht diesen Fall. Wäre es dir lieber, der Hauptmann würde das übernehmen?«
Ela schauderte bei dem Gedanken. Sie blieb stehen. » Warum bringst du mich nicht zu Meister Quent? Er ist viel
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