Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
Betrachtung des in Honig eingelegten Fenchels, der das Mahl eröffnete, versunken zu sein.
» Ich wundere mich nicht, bei dem Wetter, das hier in den Bergen herrscht«, warf Shahila ein, als hätte sie Verständnis für das Fehlen des Herzogs. » Ich würde ihm eine Reise in den Süden ans Herz legen. Etwas Wärme würde ihm sicher guttun«, fügte sie hinzu.
Der Gesandte – er hatte den Fenchel bereits hinter sich gelassen und war schon beim zweiten Gang, der Ochsensuppe, angelangt – stimmte ihr zu: » Das Klima in Eurer Heimat muss viel besser sein, denn wie sonst ließe es sich erklären, dass dort solche Schönheiten erblühen?«
Er nickte ihr dabei leutselig zu, und Shahila sah Suppe über sein Kinn rinnen, lächelte aber trotzdem, als sei sie geschmeichelt.
Gidus fand zwischen zwei Löffeln Suppe auch noch Zeit zu sagen: » Ich muss Euch gratulieren, Baron. Wahrlich, die schönste Perle am Goldenen Meer, sie ist Euer!«
Die Baronin lächelte noch freundlicher und nahm sich vor, ihm bei Gelegenheit zu zeigen, dass sie niemandem gehörte, schon gar nicht ihrem Mann, der bei diesen plumpen Komplimenten auch noch glücklich dreinschaute. Sie musterte verstohlen die anderen Gäste, denn sie galten doch etwas in dieser Stadt. Der Richter aß wenig und sprach noch weniger. Er wirkte, als sei er von ganz eigenen finsteren Gedanken eingenommen. Dass Zunftmeister Haaf und seine Frau nichts zur Unterhaltung beitrugen, lag hingegen daran, dass sie viel zu sehr mit Essen beschäftigt waren. Vermutlich, weil es nichts kostet, dachte Shahila. Sie bemerkte, dass der alte Quent sie beobachtete. Versuchte er, ihre Gedanken zu lesen? Er war nicht so leicht zu blenden wie andere Männer. Sie lächelte ihn mit gespielter Schüchternheit an und fragte sich, ob er die Gefahr, in der er schwebte, schon ahnte.
Nestur Quent hörte den Gesprächen am Tisch kaum zu. Der Gesandte sprach über das schlechte Wetter und schmeichelte in einem fort der Baronin. Es war beinahe schon peinlich. Sie ertrug es mit einem Lächeln, das ihm eine Spur zu freundlich erschien. Er löste seine Gedanken vom Wanderer, der in wenigen Stunden in das Sternbild des Jägers eintreten würde, und betrachtete sie genauer. Eine Schönheit, ohne Zweifel, und sie hatte sich für diesen Abend viel Mühe gegeben, das zu unterstreichen. Er verstand nicht viel davon, aber er hatte sie nach der Reise gesehen. Schon da hatte er angenommen, dass andere Männer sie für außerordentlich anziehend halten mussten, und nun war es, als sei sie regelrecht erblüht. Aber warum hatte sie sich so viel Mühe gegeben? Seinetwegen sicher nicht. Die Zeit, da er sich für Frauen interessiert hatte, lag lange hinter ihm, ja, eigentlich hatte es sie nie wirklich gegeben. Die Große Vereinbarung verlangte Zauberern Enthaltsamkeit und vor allem Kinderlosigkeit ab. Für ihn war das nie ein großes Opfer gewesen, denn die Magie hatte ihn früh in ihren Bann gezogen, und nun, da er älter wurde und die Magie ihn mehr kostete, als sie Neues für ihn bereithielt, waren es die Sterne. Und in dieser Nacht würde er mit eigenen Augen sehen, ob seine Berichtigungen der alten Sterntafeln wirklich zutreffend waren. Das bedurfte einer gewissen Vorbereitung. Er konnte nur hoffen, dass sich dieses lästige Bankett nicht zu lange hinzog.
Der Gesandte hatte etwas zu ihm gesagt, aber er hatte nicht zugehört. » Wie habt Ihr gemeint, Graf Gidus?«
» Ich verstehe, die betörende Wirkung der Baronin verfehlt auch auf einen Zauberer die Wirkung nicht.«
Er lachte laut über diese alberne Bemerkung, was Quent mit einem dünnen Lächeln kommentierte.
» Ich fragte«, wiederholte der Graf, » ob Ihr mir darin zustimmt, dass diese Ehe das Meisterstück Eures Prinzen Gajan war.«
» Zweifellos«, gab Quent zurück. Die Frage war reichlich unhöflich, aber berechtigt. Er selbst hatte bei dieser Ehe nie ein wirklich gutes Gefühl gehabt. Das kleine, unbedeutende Atgath vermählte sich mit dem mächtigen Oramar? Nun, Beleran wirkte glücklich, das war ebenso schön wie überraschend, aber Quent glaubte nicht an Märchen, und diese Hochzeit war eines: Der arme Prinz gewann die Hand der Königstochter, auch wenn sich dieser König Padischah nannte. Natürlich, es war nicht aus heiterem Himmel gekommen, die Ehe war sozusagen das Siegel unter dem Handelsvertrag, den der Seebund mit dem Reich von Oramar geschlossen hatte, und es war nur die Tochter einer Nebenfrau, die der arme Prinz, schnell noch zum Herrn
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