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Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe

Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe

Titel: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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würde all dies zu einem anderen Jungen gehören. Und nun stand ich da mit flatterndem Puls und rechnete fest damit, jeden Augenblick das zornige Schnauben meines Vaters zu hören. Bevor mich die Erinnerung vollends in ihren Bann schlug, entschied ich mich für den am wenigsten erdrückend wirkenden Raum: mein altes Zimmer. Seit das Jugendamt mich in Verwahrung genommen und direkt an Sina übergeben hatte, war ich nicht mehr hier gewesen.

    Während ich mit der einen Hand nach der Klinke griff, ballte ich die andere zur Faust. Gerade so, als müsste ich viel Schlimmeres als lediglich böse Erinnerungen befürchten. Zu meiner Überraschung war das Zimmer leer. Vollständig ausgeräumt. Nicht einmal die Filmplakate hatte Jonas an den Wänden hängen lassen. Eigentlich sollte mir das egal sein, aber ich konnte mich der Vorstellung nicht erwehren, wie er mit der ihm eigenen Brutalität mit größter Befriedigung sämtliche Spuren von mir in diesem Raum getilgt hatte. Wahrscheinlich hatte er in seinem Eifer sogar jedes einzelne Glas zerschlagen, aus dem ich je getrunken hatte. Er machte es einem wirklich nicht schwer, ihn zurückzuhassen.
    Aufgeputscht von meiner Enttäuschung stieß ich die Tür zu seinem Schlafzimmer auf und verpasste als Erstes dem mitten im Raum stehenden Bettgestell einen kräftigen Tritt, das daraufhin mit einem lauten Knall auseinanderbrach. Hätte mir in diesem Augenblick jemand eine Farbdose gereicht, dann hätte ich mit Freude in extra großen Lettern »Fuck you« an die Wand geschrieben. Stattdessen musste ich mich mit bereits ramponierten Einrichtungsresten zufrieden geben, an denen schon ein anderer zur Genüge seine Aggressionen abgelassen hatte.
    Es sah nämlich ganz danach aus, als hätten sich die Vandalen in diesem Raum mit besonderer Hingabe ausgetobt: Die Matratze lag aufgeschlitzt in einer Ecke, während die Reste des Bettzeugs fein säuberlich zerschnitten den Boden bedeckten. Vom Kleiderschrank war keine Spur mehr zu entdecken, genauso wenig wie von den anderen Möbelstücken. Mit zunehmender Verwirrung bemerkte ich, dass tatsächlich nur noch das Bett im Zimmer stand. Die Vorhänge mit dem altmodischen Blümchenmuster waren verschwunden, dafür waren die Fensterscheiben mit schwarzer Farbe angemalt worden. Durch die Schlieren fiel spärliches
Licht ein, sodass ich die zerfetzten Wände erst auf den zweiten Blick bemerkte. Die Tapete war bis auf ein paar Reste heruntergekratzt worden. Übrig geblieben waren tiefe Risse im Putz. Überall waren Löcher hineingeschlagen worden, große und kleine. Rillen und Dellen. Bräunliche Schlieren, als habe jemand mit der Faust auf die Wände eingeschlagen, bis sie zu bluten begonnen hatten.
    Im trüben Licht kam ich langsam zu der Überzeugung, dass es keinesfalls ehrenhafte Bürger dieser Stadt gewesen waren, die ihrem Gerechtigkeitssinn mittels einer Verwüstung Ausdruck verliehen hatten. Selbst der Linoleumboden war aufgeschlitzt und mit Schleifspuren übersät. Vor meinem Auge verdichtete sich zunehmend ein Bild, in dem ein übernächtigter Jonas sein Bett von einer Wand zur anderen schob, in der Hoffnung, dort etwas Ruhe zu finden. Doch ihm war keine Ruhe gegönnt worden. Etwas hatte ihn wach gehalten … oder ihm Angst vor dem Einschlafen gemacht. Sein elendes Stöhnen von damals klang mir in den Ohren, als er sich des Nachts in seinem Bett hin und her geworfen hatte. Ich spürte es mit absoluter Gewissheit: Jemand hatte sich bei ihm eingeschlichen und ihn zu beeinflussen versucht. Dieser Jemand hatte selbst dann nicht damit aufgehört, als ich schon längst aus dem Haus war. In seiner Verzweiflung hatte Jonas angefangen, die Wände aufzureißen und nach dem Quell des Flüsterns zu suchen. Doch egal, wie verbissen er auch an den Wänden gekratzt hatte, dem Eindringling, dessen Verführung er sich überlassen und wegen dem er mich gezeichnet hatte, war er auf diese Art nicht auf die Schliche gekommen.
    Bei mir sah das anders aus. Mir konnte sich dieser Eindringling nicht so leicht entziehen. Zumindest nicht mehr, seit ich die Sphäre betreten und anfangen hatte, meine Fähigkeiten kennenzulernen und einzusetzen.

    Mit den Fingern strich ich über die im Schatten liegende Wand. Ein Hauch von Silber blieb zurück.
    »Ich kenne dich«, stellte ich fest. »Der Staub, den du jedes Mal bei deinen Besuchen zurücklässt, verrät dich. Du hast nicht nur Jonas heimgesucht, sondern auch Mila in deinen Bann gezogen. Du bist der Schatten, der sich

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