Schattenspäher
Feueratem eines Drachen habe sich ein wenig abgekühlt, wiewohl man nach wie vor von ihm verzehrt werden konnte.
Paet lag ihm im Magen, weil er Paet brauchte. Ein Umstand, der Everess alles andere als freute. Doch nur Paet war imstande, das zu tun, was Paet tat. Der Anführer mochte vielleicht eines Tages durch Silberdun ersetzt werden, doch dieser Tag war noch fern.
Es war schwierig, jemanden zu kontrollieren, dem nichts wichtig war außer der einen Sache, die man ihm auf keinen Fall wegnehmen durfte. Eine Zusammenkunft mit Paet stellte immer den Tiefpunkt eines Tages dar, und nach der Heron-Affäre würde Paet übellauniger sein denn je. Auch gut, dachte Everess, Paet brauchte ihn schließlich genauso sehr wie er Paet brauchte.
Wie das Schicksal es wollte, verkündete seine Sekretärin just in diesem Moment, dass Paet eingetroffen war, und Everess bedeutete ihr mit einem Grunzen, den Besucher vorzulassen.
»Guten Morgen, Anführer«, sagte Everess. »Was verschafft mir die Ehre?«
Paet ließ sich schwer in einen Sessel fallen, der Everess' Schreibtisch gegenüber stand - es war der Stuhl eines Vorbeters aus einem Resurrektionisten-Tabernakel, und er hatte Everess ein Vermögen gekostet. »Ihr wisst, warum ich hier bin. Es geht um die Heron-Sache.«
»Was ist damit?«
»Als Ihr sagtet, Ihr wolltet Euch Sela zwecks einer kleinen Angelegenheit ›ausleihen‹, konnte ich nicht ahnen, dass Ihr sie in einen Puff schickt, damit sie dort einem Mitglied der Schmiedezunft die Kehle durchschneidet. Einem Gildenvertreter, der zufällig auch noch der Ehemann Eurer Erzfeindin im Senat ist.«
»Eure mangelnde Fantasie ist legendär, Paet«, sagte Everess. »Doch unsere Vereinbarung besagt nicht, dass ich Eure Zustimmung benötige für ... nun, für was auch immer.«
»Das war eine höchst dumme Aktion, und wenn Ihr mich gefragt hättet, hätte ich Euch dringend davon abgeraten.«
»Genau darum habe ich Euch nichts davon erzählt.«
»Was glaubt Ihr durch eine solche Tat zu gewinnen? Es wird eine Untersuchung geben. Und wenn diese Untersuchung den Oberstaatsanwalt zu den Schatten führt, dann sind wir erledigt!«
»Nun, ich dachte eigentlich, es wäre klar, was ich zu gewinnen suche«, erwiderte Everess. »Der Skandal wird Heron ihr Amt als Gildenvertreterin im Senat kosten, und niemand ihrer politischen Verbündeten wird es wagen, sich für sie einzusetzen und damit ebenfalls den eigenen Ruf aufs Spiel setzen.«
Everess lächelte. »Und selbst, wenn der Fall untersucht würde, könnte niemand Sela mit der Tat in Verbindung bringen. Sie war schwer zurechtgemacht mit Make-up und Blendwerk, bevor sie an dem Abend das Haus verließ.«
Paet rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. Everess wusste, dass der Sessel trotz seines ansprechenden Äußeren entsetzlich unbequem war. Was auch der Grund war, warum er ihn angeschafft hatte.
»Was wollt Ihr damit sagen: ›Selbst, wenn der Fall untersucht würde‹?«, hakte Paet nach.
Everess lächelte und lehnte sich in seinem eigenen Sessel zurück, der - wenig erstaunlich - der Inbegriff von Behaglichkeit war. »Trotz des Protestes derer im Senat, die von einem ausgedehnten Skandal zweifelsohne profitieren würden, wäre eine Untersuchung der Angelegenheit ... äußerst unerfreulich für jene, die mit ebendieser Untersuchung beauftragt wären. Hätten wir uns um die Staatssekretärin persönlich gekümmert, ließe sich das alles nicht umgehen, aber da es nun mal ihren Ehemann betrifft, ergeben sich da gewisse Beschränkungen.«
»Was soll das heißen?«
»Das soll heißen, dass der Oberstaatsanwalt und die Hälfte seiner Männer zu den regelmäßigen Gästen dieses Puffs zählen. Was glaubt Ihr, warum es gerade dort geschah?«
»Tja, Ihr habt wirklich an alles gedacht«, sagte Paet. »Aber warum musste der Mann gleich sterben? Das erscheint mir doch recht unverhältnismäßig, selbst nach Euren Maßstäben. Darüber hinaus nahm ich an, dass wir nicht unsere eigenen Leute niedermetzeln.«
»Weil diejenigen, die zu unseren schärfsten Gegnern zählen und uns für diese Tat verantwortlich machen, Herons Ende als Warnung verstehen werden. Fortan werden sie es sich zweimal überlegen, öffentlich Kritik zu üben, so wie Zunftmeisterin Heron es zu tun pflegte.«
»Ich geb's auf«, sagte Paet. »Ihr macht doch ohnehin, was Ihr wollt, egal, was ich dagegen einzuwenden habe.«
»Ich freue mich, dass Ihr das endlich einseht.«
Vor dem Büro wurden Stimmen laut. Kurz
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