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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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ich euch meine Hilfe anbieten?«, fragte der Renegat, nichtsahnend, welcher Schatz ihm gerade vor der Nase weggeschnappt worden war.
    Derrien nickte.
    »Gut. Dann lasst uns eilen! Die Polizei wird sich nicht lange ablenken lassen.«
    »Olov!«, befahl Derrien. »Komm mit! Der Tag ist noch nicht vorüber!«
    Mit einem übertriebenen Seufzer erhob sich Orgetorix von seinem Barhocker. »Kommt schon«, meinte er zu seinen Männern. »Der Boss ruft.«
    Gemeinsam machten sie sich auf die Suche nach Murdoch.

BATURIX
     
    Feldlager der Ratsarmee, nahe Bergen, Norwegen
    Dienstag, 13. April 1999
    Die Innenwelt
     
     
    Mit lautem Donner zuckte ein Blitz in der Abenddämmerung, direkt gefolgt vom Krachen des nahen Einschlags. Mit wildem Wiehern stieg Baturix’ Reitpferd auf die Hinterbeine und warf ihn beinahe ab. Als der Wallach zurück auf die Vorderläufe fiel, musste Baturix erst einmal tief durchatmen.
    »Ruhig, Vitellius«, flüsterte er vornübergebeugt seinem Reitpferd in die Ohren. »Ruhig! Ist nur ein Gewitter! Nur schlechtes Wetter!«
    Der Wallach schnaubte unruhig und sah sich misstrauisch um. Erst dann schien er den Schenkeldruck zu registrieren, mit dem ihn Baturix zum Weitergehen aufforderte. Mit einem weiteren Schnauben setzte sich das Pferd in Bewegung.
    »Puh«, seufzte Baturix und zog sich die Kapuze wieder über den Kopf, die ihm in den Nacken gerutscht war.
    Nicht, dass das viel Sinn ergab: Der Regen war unerbittlich und hatte ihn schon längst durchweicht. Seit einer Woche regnete es jetzt schon, und dies fast ununterbrochen. Der Himmel war ein Meer aus grauen, tiefhängenden Gewitterwolken. Es schien ganz so, als ob das Land selbst Ronans Tod beweinte, den Tod des Druiden, der die Schlacht von Espeland für die Kelten gewonnen hatte. Ronan war es gewesen, der das feindliche Zentrum durchbrochen hatte, als jedem anderen schon die Niederlage vor Augen stand. Ein großer Mann. Und, wie viele Kelten in diesen Tagen zum ersten Mal erfuhren, ein Wetterdruide. Es regnete, seitdem er tot war.
    Seitdem folgte eine schlechte Nachricht der anderen. Währendsie die Schlacht von Espeland gewonnen hatten – wenn auch unter schrecklichen Verlusten –, hatte Lord Rushai, den sie den Schwarzen Baum nannten, mit einer
zweiten
Streitmacht die Ratsarmee aus Dachaigh na Làmthuigh vernichtet. Berichte aus dem Süden kamen spärlich, aber es hieß, dass Rushai dreißigtausend Krieger um sich gesammelt hatte und mit diesen zurück nach Norden zog, um die Keltenarmee zu stellen. Und Cintorix, Feldherr der Armee und Baturix’ Fürst, schien unentschlossen. Ein Mann, der noch nie zuvor unentschlossen gewesen war.
    Baturix klopfte Vitellius auf den Hals. »Komm schon«, murrte er, mehr zu sich als zu dem Tier.
    Das beständige Prasseln des Regens und das Schmatzen von Vitellius’ Hufen im Matsch waren die einzigen Geräusche. Die Stille über dem Lager wirkte unnatürlich und falsch. Kaum zu glauben, dass hier noch immer knapp zehntausend Krieger versammelt waren. Doch noch vor einer Woche waren sie zwanzigtausend gewesen. Es gab niemanden, der nicht Freunde oder Verwandte verloren hatte, und der verfluchte Schattennebel, der sich trotz des Regens über dem Land hielt, verstärkte Trauer und Sorge nur noch. Niemand war nach Scherzen und Lachen zumute, am allerwenigsten Baturix selbst, dessen Sohn Markus unter Lucius’ Banner gefallen war.
    Schließlich erreichte er das Zentrum des Lagers, dort wo ein paar eingefallene und notdürftig ausgebesserte Ruinen den Standort einer längst verlassenen Wikingersiedlung anzeigten. Aus manchen der Gebäude quoll Rauch. Im Mittelpunkt der Ruinen stand eine große, vom Gift des Schattennebels gekrümmte Linde, an deren Ästen Cintorix’ Henker mehrere Männer aufgeknüpft hatte. Beinahe täglich kamen neue hinzu.
    Es waren vor allem Bretonen, die dort baumelten. Vor vier Tagen war die Nachricht im Lager herumgegangen, dass Kêr Bagbeg 1 von Schatten überfallen und geplündert worden war. Seitdem verging kaum ein Tag, an dem nicht eine Handvoll Bretonen versuchte, sich vom Heer abzusetzen, um nach Hause zu reisen und endlich zu erfahren, was mit Heim und Familie geschehen war. Seit Ronans Tod besaßen sie keinen mächtigen Fürsprecher mehr im Rat, der sie schützen konnte, und deshalb baumelten sie als Deserteure, wenn sie erwischt wurden, als Warnung für die, die es ihnen nachtun wollten. Baturix versuchte, sie nicht zu beachten, elf Männer, nackt und blass, die träge im Regen

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