Schlaflos - Insomnia
hatte, in Wirklichkeit eine Matte blutiger Eier auf dem Schoß des Scharlachroten Königs war. Er beugte sich über diese pulsierende Decke zu ihm, seine wulstigen Lippen bebten in gespielter Fürsorge.
[Stimmt was nicht, Ralphie? Wo tut es weh? Sag es Mutter.]
[»Du bist nicht meine Mutter.«]
[Nein - ich bin der Queenfish! Ich bin gut drauf und stolz darauf. Ich beherrsche die Taten, und ich beherrsche die Worte! Tatsächlich kann ich sein, was ich will. Du
weißt es vielleicht nicht, aber Verwandlungen haben eine altehrwürdige Tradition in Derry.]
[»Kennst du den grünen Mann, den Lois gesehen hat?«]
[Selbstverständlich! Ich kenne jeden in der Nachbarschaft!]
Allerdings bemerkte Ralph einen Ausdruck flüchtiger Verwirrung in dem Schuppengesicht.
Die Hitze in seinem Unterarm nahm weiter zu, und da kam Ralph plötzlich eine Erkenntnis: Wenn Lois jetzt hier wäre, würde sie ihn kaum sehen können. Der Queenfish verströmte ein pulsierendes, immer heller werdendes Leuchten, das ihn allmählich einhüllte. Das Leuchten war rot statt schwarz, aber es war trotzdem ein Leichentuch, und jetzt wusste er, wie man sich darin fühlte, so wie in einem aus seinen schlimmsten Ängsten und traumatischsten Erlebnissen geflochtenen Netz. Es gab keinen Weg hinaus und keine Möglichkeit, es durchzuschneiden, so wie er das Leichentuch um Eds Trauring herum durchgeschnitten hatte.
Wenn ich entkommen will, dachte Ralph, muss ich so schnell und energisch vorwärts laufen, dass ich auf der anderen Seite durchbrechen kann.
Den Ohrring hielt er immer noch in der Hand. Jetzt drehte er ihn so, dass die ungeschützte Spitze auf der Rückseite zwischen den beiden Fingern herausragte, die der Katzenwels vor dreiundsechzig Jahren hatte fressen wollen. Dann sprach er ein kurzes Gebet, aber nicht zu Gott, sondern zu Lois’ grünem Mann.
4
Der Katzenwels beugte sich weiter nach vorn, und ein comicartiges höhnischen Grinsens breitete sich auf seinem nasenlosen Gesicht aus. Die Zähne in diesem schlaffen Grinsen sahen jetzt länger und spitzer aus. Ralph sah Perlen einer klaren Flüssigkeit an den Enden der Barthaare und dachte: Gift. Wirst den Rest deines Lebens im Rollstuhl verbringen. Mann, ich hab solche Angst. Solche scheiß Todesangst.
Lois, aus weiter Ferne kreischend: [»Beeil dich, Ralph! DU MUSST DICH BEEILEN!«]
Ein kleiner Junge schrie irgendwo, viel näher; schrie und schwenkte die rechte Hand, schwenkte den Fisch, der sich an seinen Fingern festgebissen hatte, die im Maul eines schwangeren Monsters steckten, das nicht loslassen wollte.
Der Katzenwels beugte sich noch weiter herüber. Sein Kleid raschelte. Ralph konnte das Parfüm seiner Mutter riechen, Saint Elena, das sich auf obszöne Weise mit dem fischigen Kloakenaroma des Gründlers mischte.
[Ich habe die Absicht, Ed Deepneaus Unternehmen zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen, Ralph; ich habe die Absicht, den Jungen, von dem deine Freunde dir erzählten, in den Armen seiner Mutter sterben zu lassen, und ich möchte sehen, wie es passiert. Ich habe sehr hart hier in Derry gearbeitet, und ich finde, das ist nicht zu viel verlangt, aber es bedeutet, dass ich mir dich jetzt gleich vom Hals schaffen muss. Ich …]
Ralph trat einen Schritt tiefer in den Müllgestank des Dings hinein. Und nun sah er eine Gestalt hinter der Gestalt von Mutter, hinter der Gestalt von Queenfish. Er sah
einen hellen Mann, einen roten Mann mit kalten Augen und einem unbarmherzigen Mund. Der Mann hatte Ähnlichkeit mit dem Christus, den er erst vor wenigen Augenblicken gesehen hatte … aber nicht mit dem, der tatsächlich in der Küchenecke seiner Mutter gehangen hatte.
Ein überraschter Ausdruck trat in die lidlosen schwarzen Augen des Queenfish … und in die kalten Augen des roten Mannes dahinter.
[Was denkst du dir eigentlich? Geh weg von mir! Willst du den Rest deines Lebens im Rollstuhl verbringen?]
[»Ich kann mir Schlimmeres vorstellen, Kumpel - die Zeit, in der ich am ersten Base gespielt habe, sind definitiv vorbei.«]
Die Stimme schwoll an und wurde zur Stimme seiner Mutter, wenn sie wütend war.
[Hör mir zu, Junge! Hör mir zu und tu, was ich sage!]
Einen Augenblick zögerte er angesichts der alten Befehle, die mit einer Stimme ausgesprochen wurden, die der seiner Mutter auf unheimliche Weise ähnelte. Dann ging er wieder einen Schritt weiter. Der Queenfish drückte sich in den Schaukelstuhl und schlug unter dem Saum des alten Hauskleids mit der
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